B330/71 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Keine Bedenken gegen das Wiener Dienstgeberabgabegesetz LGBl. 17/1970 (DAG) aus dem Gesichtspunkt der Zweckwidmung des Abgabenertrages gegen die Regelung der Abgabe. Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der Gesetzgeber anläßlich der Regelung einer Abgabe deren Widmung in das Gesetz aufnimmt; weder das F-VG 1948 noch eine andere verfassungsgesetzliche Bestimmung verbieten eine solche Vorgangsweise (Slg. 3742/1960) . Durch die Zweckwidmung wird aber am rechtlichen Charakter einer Abgabe nichts geändert (Slg. 3159/1957) . Dies gilt auch für den Fall einer Widmung für nicht hoheitliche Aufgaben, denn der österreichischen Finanzverfassung ist ein Gebot, Abgaben nur für die Bestreitung von Aufgaben hoheitlicher Art einzuheben, fremd (Slg. 3033/1956, 3919/1961) . Da eine Abgabe von der Art einer Steuer nicht ein Entgelt für Vorteile, die der Abgabenberechtigte dem Abgabenpflichtigen gewährt, darstellt, und umgekehrt der Abgabenleistung nicht eine wirtschaftliche Gegenleistung des Abgabenberechtigten entsprechen muß (Slg. 4058/1961) , ist aus dem Umstand, daß die unter Verwendung des Ertrages der Dienstgeberabgabe zu errichtende Untergrundbahn nicht nur den Dienstgebern, sondern auch den Dienstnehmern zum Vorteil gereichen wird, für die Sachlichkeit der Abgrenzung des Kreises der Abgabepflichtigen nichts zu gewinnen. Besteuerungsgegenstand der Dienstgeberabgabe sind nicht die Vorteile, die sich aus der unter Verwendung ihres Ertrages zu errichtenden Untergrundbahn ergeben, sondern Besteuerungsgegenstand ist das Bestehen eines Dienstverhältnisses. Insofern unterscheidet sich die Rechtslage nach dem DAG grundlegend von der Rechtslage, wie sie beispielsweise bei den Fremdenverkehrsabgaben gegeben ist, die den vom Gesetzgeber angenommenen speziellen Fremdenverkehrsnutzen als Besteuerungsgegenstand haben (vgl. Slg. 5995/1969 und die dort angeführte Vorjudikatur) . Was das DAG unter dem Bestehen eines Dienstverhältnisses in Wien (§ 1) versteht, wird in der Folge (§ 2) durch Legaldefinitionen klargestellt. Werden diese Bestimmungen auf eine Formel gebracht, so ergibt sich: Der Dienstgeber hat dafür eine Abgabe zu entrichten, daß ihm ein Dienstnehmer, dessen Beschäftigungsort in Wien liegt, seine Arbeitskraft schuldet. Dieses Schulden der Arbeitskraft des Dienstnehmers gegenüber dem Dienstgeber ist Gegenstand der Abgabe des Dienstgebers. Der Landesgesetzgeber ist im Rahmen seiner Zuständigkeit grundsätzlich frei, den Gegenstand einer Abgabe zu bestimmen. Er ist aber insoweit verfassungsgesetzlich gebunden, als er die Grenzen des {Finanz-Verfassungsgesetz 1948 § 8, § 8 F-VG 1948} zu beachten hat und er auch dem Gleichheitsgebot dadurch entsprechen muß, daß die Regelung in sich, insbesondere die Abgrenzung des Abgabegegenstandes, nicht unsachlich sein darf. Die Art der Regelung ist daher einer Prüfung am Gleichheitssatz zugänglich (Slg. 5513/1967, 5577/1967, 5692/1968, 6030/1969) . Grundsätzlich steht es dem Gesetzgeber auch frei, nur bestimmte Gruppen der Bevölkerung mit einer Abgabepflicht zu belasten; er handelt damit im Rahmen rechtspolitischer Erwägungen.
Der Gesetzgeber ist dabei nur gehalten, die Abgrenzung des Kreises der Abgabepflichtigen so vorzunehmen, daß darin nicht eine sachfremde Differenzierung liegt (vgl. Slg. 1411/1931, 4058/1961, 4265/1962, 4392/1963, 5577/1967, 5995/1969) . Wenn nun der Gesetzgeber ein Schulden der Arbeitskraft des in Wien beschäftigten Dienstnehmers gegenüber dem Dienstgeber einer Abgabe unterzieht, ist dies eine Maßnahme der Rechtspolitik, die - außer im Falle eines Exzesses - nicht am Gleichheitssatz gemessen werden kann (vgl. Slg. 5692/1968, 5862/1968, 6030/1969, 6152/1970, 6255/1970, 6485/1971) .
Das DAG hat keinen Inhalt, aus dem sich ergäbe, daß die Dienstgeberabgabe die Einheit des Wirtschaftsgebietes verletzen oder in ihrer Wirkung einer Verkehrsbeschränkung gleichkommen würde. Der Umstand allein, daß die Dienstgeberabgabe auf das Land Wien beschränkt ist, stellt keinen Verstoß gegen {Finanz-Verfassungsgesetz 1948 § 8, § 8 Abs. 4 F-VG 1948} dar; er ist die Folge der Steuerhoheit der Bundesländer (vgl. das zu der inhaltlich gleichen Bestimmung des § 7 Abs. 4 F-VG BGBl. 61/1931, ergangene Erk. des VfGH Slg. 1462/1932) .
Wenn der Gesetzgeber als abgabepflichtig den Dienstgeber bestimmt, kann der VfGH auch darin keine Verletzung des Gleichheitssatzes erkennen, denn in einer Regelung, die die Abgabepflicht dem die Arbeitskraft des Dienstnehmers zu fordern berechtigten Dienstgeber auferlegt, liegt keine unsachliche Differenzierung. Insbesondere liegt darin weder einerseits eine mit dem Gleichheitsgebot unvereinbare Bevorrechtung der Berufsgruppe der Dienstnehmer gegenüber der Berufsgruppe der Dienstgeber noch anderseits eine Benachteiligung dieser gegenüber jener. Die Bestimmung des § 5 DAG ist eine Tarifbestimmung, aus der sich keinesfalls - wie der Bf. meint - eine den Dienstgeber doppelt belastende Steuerpflicht ergibt.
Ergibt sich aber aus dem Inhalt des Gesetzes, daß dagegen unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes keine Bedenken bestehen, so vermag auch der Hinweis des Bf. auf Motive, die bei Erlassung des Gesetzes maßgeblich gewesen seien, keine andere Beurteilung herbeizuführen.
Kein Widerspruch zu {Europäische Menschenrechtskonvention Art 14, Art. 14 MRK}, weil keine Gleichheitswidrigkeit vorliegt. Gemäß § 6 Abs. 1 DAG hat der Abgabepflichtige bis zum zehnten Tag jedes Monates die im Vormonat entstandene Abgabenschuld zu entrichten und gemäß § 6 Abs. 2 DAG hat er jeweils bis zum 10. Jänner, 10. April, 10. Juli und 10. Oktober die im vorangegangenen Kalenderviertel entstandene Abgabenschuld beim Magistrat schriftlich zu erklären. In dieser Erklärungspflicht sieht der Bf. eine nach Art. 4 Abs. 2 MRK unzulässige Pflichtarbeit. Da hievon nur die kleine Gruppe der in Wien ansässigen Dienstgeber betroffen sei, somit keine allgemeine Staatsbürgerpflicht zur Abgabe derartiger Erklärungen bestehe, liege der Ausnahmetatbestand nach Art. 4 Abs. 3 lit. d MRK nicht vor. Der VfGH ist der Meinung, daß eine derartige mit der Einhebung einer Abgabe verbundene Erklärungspflicht zu den "normalen Bürgerpflichten" ("normal civic obligations" , "obligations civiques normales" in den authentischen englischen und französischen Texten) gehört. Gemäß dem bundesstaatlichen Aufbau der Republik Österreich können sich solche "normale Bürgerpflichten" auch für den Bereich eines einzigen Bundeslandes ergeben. Die in § 6 Abs. 2 DAG geregelte Verpflichtung betrifft die Erklärung des Abgabepflichtigen über die ihn selbst treffende Abgabenschuld. Es ist darauf hinzuweisen, daß der VfGH im Erk. Slg. 6425/1971 die Rechtsauffassung vertreten hat, sogar die Mitwirkung der Arbeitgeber bei der Einhebung der eine Steuerschuld der Arbeitnehmer darstellenden Lohnsteuer, wie sie im EStG 1953 und im EStG 1967 zur Pflicht gemacht ist, sei von Art. 4 Abs. 3 lit. d MRK erfaßt. Das DAG hat keinen Inhalt, aus dem sich ergäbe, daß die Dienstgeberabgabe die Einheit des Wirtschaftsgebietes verletzen oder in ihrer Wirkung einer Verkehrsbeschränkung gleichkommen würde. Der Umstand allein, daß die Dienstgeberabgabe auf das Land Wien beschränkt ist, stellt keinen Verstoß gegen {Finanz-Verfassungsgesetz 1948 § 8, § 8 Abs. 4 F-VG 1948} dar; er ist die Folge der Steuerhoheit der Bundesländer (vgl. das zu der inhaltlich gleichen Bestimmung des § 7 Abs. 4 F-VG BGBl. 61/1931 ergangene Erk., Slg. 1462/1932) .