WI-8/71 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Unter dem Begriff "gesetzliche berufliche Vertretungen" sind organisatorische Einrichtungen zur Wahrung der Interessen der durch eine gleichgerichtete und gleichgeartete Berufsausübung zusammengeschlossenen Personengruppen zu verstehen (vgl. Slg. 1936/1950) , die durch ein Gesetz im materiellen Sinn eingerichtet sind (vgl. Slg. 4584/1963) . Dieser Begriffsinhalt wird deutlich durch einen Vergleich mit jenen Bestimmungen des B-VG, die berufliche Vertretungen zum Gegenstand haben. Eine Reihe solcher Vertretungen sind besonderen Kompetenzbestimmungen zuzuordnen, wie z. B. Angelegenheiten der Notare, der Rechtsanwälte und verwandter Berufe (Art. 10 Abs. 1 Z 6) , Angelegenheiten der Patentanwälte, Ingenieurwesen und Ziviltechnikerwesen, Kammern für Handel, Gewerbe und Industrie (Art. 10 Abs. 1 Z 8) sowie Kammern für Arbeiter und Angestellte (Art. 10 Abs. 1 Z 11) . Von den nicht diesen Bestimmungen zuzuordnenden beruflichen Vertretungen fallen in die Bundeskompetenz nach Art. 10: die Einrichtung beruflicher Vertretungen, soweit sie sich auf das ganze Bundesgebiet erstrecken, mit Ausnahme solcher auf landwirtschaftlichem und forstwirtschaftlichem Gebiet (Abs. 1 Z 8) , in die Bundeskompetenz und Landeskompetenz nach Art. 11: berufliche Vertretungen, soweit sie nicht unter Art. 10 fallen, jedoch mit Ausnahme jener auf landwirtschaftlichem und forstwirtschaftlichem Gebiet (Abs. 1 Z 2) , und in die Landeskompetenz nach Art. 15: berufliche Vertretungen auf landwirtschaftlichem und forstwirtschaftlichem Gebiet (vgl. hiezu auch Slg. 2670/1954, 2835/1955) . Die Zusammenschau dieser die beruflichen Vertretungen betreffenden Kompetenzbestimmungen ergibt also, daß der Bundesverfassungsgesetzgeber unter diesem Begriff Vertretungen von Personen versteht, die selbständig oder unselbständig eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit ausüben.
Die Wahl der Mitglieder des Hauptausschusses der Österreichischen Hochschülerschaft an der Hochschule für Sozialwissenschaften und Wirtschaftswissenschaften in Linz stellt somit schon aus dem Grund nicht eine Wahl zu einem satzungsgebenden Organ (Vertretungskörper) einer gesetzlichen beruflichen Vertretung dar, weil es sich bei dieser Einrichtung nicht um eine berufliche Vertretung i. S. des Art. 141 Abs. 1 lit. a B-VG handelt.
Der VfGH ist zur Entscheidung über die Anfechtung einer solchen Wahl nicht zuständig.
Die Nichtzuständigkeit des VfGH zur Entscheidung über eine Anfechtung einer Wahl der Mitglieder des Hauptausschusses der österreichischen Hochschülerschaft bedeutet nicht den Ausschluß des Rechtsschutzes überhaupt; ein Bescheid, wie der im angefochtenen Wahlverfahren vom BM für Wissenschaft und Forschung erlassene, kann unter den Voraussetzungen des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 144, Art. 144 B-VG} von den Personen, die dadurch in einem subjektiven Recht verletzt sein können, im Wege einer Beschwerde bekämpft werden (vgl. Slg. 5850/1968, 5852/1968) .