B450/70 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Keine Bedenken gegen §§ 31 Abs. 2, 54 Abs. 3 und 6, 60 Abs. 1, 62 Abs. 1 und 90 Strafvollzugsgesetz.
Gegen die Bestimmung des {Strafvollzugsgesetz § 31, § 31 Abs. 2 StVG}, gemäß der für das Entgelt von Sachgütern und Leistungen, die sich Strafgefangene verschaffen dürfen, nur das Hausgeld herangezogen werden darf, soweit im Gesetz nicht anderes bestimmt ist, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Norm ist durch das Wesen des Vollzuges einer von einem Gericht verhängten Freiheitsstrafe bedingt.
Aus Art. 8 StGG und {Europäische Menschenrechtskonvention Art 5, Art. 5 MRK} ergibt sich, daß Vorschriften, die mit dem Vollzug einer Strafhaft wesentlich verknüpft sind, nicht in verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte eingreifen. Die Gewährleistung dieser Rechte schützt nicht vor Maßnahmen, die durch das Wesen des Vollzuges der von einem Gericht verhängten Freiheitsstrafe bedingt sind.
Die Vorschrift des {Strafvollzugsgesetz § 51, § 51 Abs. 1 StVG}, daß dem Strafgefangenen Gelegenheit zur Teilnahme an einem Empfang geeigneter Rundfunksendungen zu geben ist, also nicht geeignete Sendungen ausschließt, ist mit dem Vollzug der Freiheitsstrafe wesentlich verknüpft. Es bestehen daher keine Bedenken, daß sie in verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte eingreift.
Gemäß {Strafvollzugsgesetz § 90, § 90 StVG} sind alle für die Strafgefangenen eingehenden Briefe vor ihrer Aushändigung vom Anstaltsleiter zu lesen. Gegen diese Regelung bestehen keine Bedenken im Hinblick auf Art. 10 StGG und Art. 8 MRK. Dies deshalb, weil Art. 10 StGG das Briefgeheimnis im " Falle einer gesetzlichen Verhaftung "nicht garantiert; der Vollzug einer von einem Gericht verhängten Freiheitsstrafe ist ein solcher Fall. {Europäische Menschenrechtskonvention Art 8, Art. 8 MRK} sieht vor, daß ein Eingriff in den Anspruch auf Achtung des Briefverkehrs statthaft ist, insoweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft u. a. für die Verteidigung der Ordnung notwendig ist; die hier in Rede stehende gesetzliche Regelung erscheint auch dadurch gedeckt.
Der Bf. behauptet, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Empfang von Nachrichten und Ideen ({Europäische Menschenrechtskonvention Art 10, Art. 10 MRK}) und im Recht auf Bildung (Art. 2 (1.) Zusatzprotokoll zur MRK) verletzt worden zu sein. Auch hier muß darauf verwiesen werden, daß durch Art. 5 der Konvention die von einem Gericht verhängte Freiheitsstrafe als der Konvention nicht widersprechend anerkannt wird, so daß auch die mit dem Wesen des Vollzuges einer solchen Freiheitsstrafe verknüpften Beschränkungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten den oben genannten verfassungsrechtlichen Garantien nicht widersprechen; die Garantien reichen nicht so weit.
Denkmögliche Anwendung der §§ 31 Abs. 2, 54 Abs. 3 und 6, 58 Abs. 1, 60 Abs. 1, 62 Abs. 1 und 90.
Die Rücklage dient der Vorsorge für den Unterhalt der ersten Zeit nach der Entlassung. Im Strafvollzug steht die Rücklage dem Strafgefangenen nur für Anschaffungen zur Verfügung, die sein Fortkommen nach der Entlassung fördern ({Strafvollzugsgesetz § 54, § 54 Abs. 3 StVG}) . Bei der Entlassung sind dem Strafgefangenen die als Rücklage gutgeschriebenen Geldbeträge auszuzahlen ({Strafvollzugsgesetz § 54, § 54 Abs. 6 StVG}) . Es ist nicht denkunmöglich im Hinblick auf diese Regelung, dem Gesetz einen Inhalt beizumessen, gemäß dem eine bankmäßige Anlage der Rücklage während des Strafvollzuges ausgeschlossen ist.
Das jedermann zustehende Recht," seinen Beruf zu wählen und sich für denselben auszubilden, wie und wo er will ", ist nicht absolut gewährleistet. Es muß im Zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen des Staatsgrundgesetzes und sonstigen Vorschriften im Verfassungsrang verstanden werden (ähnlich Slg. 2850/1955) . Art. 8 StGG geht davon aus, daß es eine gesetzmäßige Haft gibt; {Europäische Menschenrechtskonvention Art 5, Art. 5 MRK} erlaubt die Haft auf Grund einer gerichtlichen Verurteilung. Aus {Europäische Menschenrechtskonvention Art 4, Art. 4 MRK} ergibt sich, daß durch ein zuständiges Gericht zur Haft verurteilte Personen zur Zwangsarbeit oder Pflichtarbeit angehalten werden können. Eine Schmälerung des Rechtes der Berufswahl und Berufsausbildung, durch die eine von einem Gericht verfügte Freiheitsstrafe bedingt ist, widerspricht daher nicht dem Art. 18 StGG.