WI-13/70 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Der Wahlanfechtung (Wahl des Gemeinderates der Marktgemeinde Deutsch Wagram vom 5. April 1970) wird stattgegeben (Rechtswidrige Zurückweisung einer Beschwerde durch die Landeshauptwahlbehörde) .
Keine Bedenken gegen § 42 Abs. 2 Gemeindewahlordnung (GWO) , LGBl. 1/1955.
Zwar ist die Wahl des Gemeinderates eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde, jedoch sieht der diese Zuordnung gewährleistende {Bundes-Verfassungsgesetz Art 118, Art. 118 Abs. 3 Z 1 B-VG} (Fassung BGBl. 205/1962) für die Bestellung der Gemeindeorgane ausdrücklich eine Zuständigkeit überörtlicher Wahlbehörden vor. Dieser verfassungsgesetzlichen Regelung entspricht § 32 Abs. 2 Z 1 Niederösterreichische Gemeindeordnung, LGBl. 369/1965.
Gemäß § 42 Abs. 2 GWO ist die Beschwerde binnen 14 Tagen, von dem Tage angefangen, der auf der Verlautbarung des Wahlergebnisses an der Amtstafel angegeben ist, einzubringen. Bei der Ermittlung des Inhaltes dieser Fristbestimmung ist auch der vorletzte Satz des der GWO als Muster 18 in Anlage 1 angeschlossenen Textes für die in § 41 Abs. 2 vorgesehene Kundmachung des Wahlergebnisses zu beachten ( dieses Muster 18 ist gemäß dem Verfassungsgesetz LGBl. 100/1954, Art. I Z 47, Bestandteil des Gesetzestextes der GWO) ; dort heißt es:" Die Beschwerden sind innerhalb von 14 Tagen, beginnend ab dem am Schlusse dieser Kundmachung angeführten Tage, bei der Gemeindewahlbehörde einzubringen. "Diese gesetzlichen Bestimmungen räumen für die Einbringung der Beschwerde einen Zeitraum von 14 Tagen ein. Dieser Zeitraum wird von (ab) dem Tage der Verlautbarung des Wahlergebnisses an der Amtstafel gezählt. Damit ist als Ausgangspunkt für die Berechnung der Frist ein bestimmter Tag festgelegt und daher ausgeschlossen, daß die Tage der Frist (als Zeiträume von je 24 Stunden) von der Uhrzeit des Anschlages an der Amtstafel zu zählen sind. Der erste Tag der Frist ist demnach der auf die Verlautbarung folgende Tag, der 14. Tag der Frist ist der auf die Verlautbarung folgende 14. Tag. Die Fristbestimmung des § 42 Abs. 2 GWO enthält keinen Anhaltspunkt dafür, daß die dort geregelte Beschwerdefrist nach anderen als den dargelegten Gesichtspunkten zu berechnen wäre.
Hätte der Gesetzgeber die Frist nach anderen Grundsätzen regeln wollen, als sie in der österreichischen Rechtsordnung für die Berechnung von Fristen seit langem gelten (vgl. {Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 902, § 902 Abs. 1 ABGB}, {Zivilprozeßordnung § 125, § 125 Abs. 1 ZPO}, § 32 Abs. 1 AVG 1950, § 6 Abs. 1 StPO 1960, {Bundesabgabenordnung § 108, § 108 Abs. 1 BAO}, Art. 73 Wechselgesetz 1955, Art. 56 Scheckgesetz 1955) , hätte er dies deutlich zum Ausdruck gebracht.
Eine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens kann gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 141, Art. 141 Abs. 1 B-VG} nur dann zu einem Erfolg der Wahlanfechtung führen, wenn sie auf das Wahlergebnis von Einfluß war. Der VfGH hat schon wiederholt ausgesprochen, daß diese Voraussetzung gegeben ist, wenn die Rechtswidrigkeit auf das Wahlergebnis von Einfluß sein konnte (vgl. Slg. 888/1927, 1904/1950, 1915/1950, 6207/1970) . Im vorliegenden Fall wäre von der Landes-Hauptwahlbehörde darüber zu entscheiden gewesen, ob es rechtgemäß war, daß die Gemeindewahlbehörde den Wahlvorschlag der Wahlpartei" Namensliste F Kellner "als ungültig zurückgewiesen hat, so daß diese Wahlpartei in der Folge von der Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen war. Der Umstand, daß die Landeshauptwahlbehörde diese Entscheidung nicht getroffen hat, konnte von Einfluß auf das Wahlverfahren sein.
Kosten konnten nicht zugesprochen werden, da in einem Verfahren nach Art. 141 ein Kostenersatz nur im § 71 a Abs. 6 VerfGG 1953 vorgesehen ist, welche Bestimmung im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt (vgl. Slg. 5676/1968, 6087/1969) .