B377/69 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Nach jahrzehntelanger unveränderter Rechtsprechung des VfGH, die bis auf eine Plenarentscheidung des OGH aus dem Jahre 1898 zurückgeht, ist für das Wesen der Hausdurchsuchung charakteristisch das Suchen nach einer Person oder nach einem Gegenstand, von denen es unbekannt ist, wo sie sich befinden. Einen Raum durchsuchen heißt, dessen Bestandteile und die darin befindlichen Objekte zu dem Behufe beaugenzuscheinigen, um festzustellen, ob in diesem Raum und an welcher Stelle sich ein bestimmter Gegenstand befindet (Slg. 1486/1932) . Das Betreten einer Wohnung (Betriebsräume) allein zum Zwecke bestimmter behördlicher Festsetzungen, z. B. zur Feststellung, von wem die Wohnung bewohnt ist, oder zur Feststellung der Räume nach Größe, Zahl und Beschaffenheit, ist keine Hausdurchsuchung (Slg. 2991/1956) . Das Betreten eines Raumes (einer Wohnung, fremden Bodens) durch ein Amtsorgan zwecks Vornahme einer Amtshandlung kann nicht als Verletzung des Hausrechtes angesehen werden (Slg. 1857/1949, 3352/1958, 3648/1959) . Der VfGH hält an der zit. Rechtsprechung weiterhin fest.
Siehe auch Slg. 6528/1971, 6553/1971, 6736/1972.
Es kann dahingestellt bleiben, ob auch dem Hauseigentümer bei Vornahme einer Hausdurchsuchung in einer von ihm vermieteten Wohnung seines Hauses ein Beschwerderecht zukommt. Entscheidend für den vorliegenden Beschwerdefall ist nämlich, daß der Bf. nicht nur Eigentümer des Hauses ist, sondern daß er in diesem Haus eine Gastgewerbekonzession und Schankgewerbekonzession in Form eines Hotels betreibt. Tatsächlich sind auch die bekämpften Amtshandlungen im Zuge einer Hotelkontrolle vorgenommen worden. Das von der bel. Beh. zit. Erk. Slg. 5182/1965 sagt zu diesem Fall überhaupt nichts aus; es besagt nur, daß nicht nur dem Mieter, sondern auch einem sonstigen Inhaber eines Raumes ein Beschwerderecht zukommt.
Außer Zweifel steht, daß der behauptete verfassungswidrige Eingriff in Hotelzimmern des im Betriebe stehenden Gastgewerbes und Schankgewerbes geschehen ist. Hotelzimmer sind die zur Führung einer solchen Konzession notwendigen Betriebsräume. Betriebsräume aber sind nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (z. B. Slg. 1747/1949, 2867/1955) unter "sonstige, zum Hauswesen gehörige Räumlichkeiten" zu subsumieren. Diese Gesetzesworte sind im weitesten Sinne auszulegen.
Gemäß {Meldegesetz 1972 § 1, § 1 Abs. 2 Meldegesetz} ist derjenige, der in einem gewerblichen Beherbergungsbetrieb (Gasthof, Hotel, Pension u. dgl.) gegen Entgelt Unterkunft nimmt, ohne Rücksicht auf die Unterkunftsdauer anzumelden. Gemäß § 3 des Gesetzes trifft die Meldepflicht den Unterkunftsgeber. Gemäß § 8 Abs. 2 des Gesetzes hat der Unterkunftsnehmer seine Identität und die Richtigkeit der im Meldezettel enthaltenen Angaben durch Vorlage geeigneter Dokumente nachzuweisen. Die Inhaber gewerblicher Beherbergungsbetriebe haben gemäß {Meldegesetz 1972 § 15, § 15 Abs. 1 MeldeG} Fremdenbücher zu führen. Den Organen der Meldebehörde ist auf Verlangen jederzeit in diese Aufzeichnungen Einsicht zu gewähren. Übertretungen der Bestimmungen des MeldeG werden gemäß § 18 - sofern nicht ein strafrechtlich verfolgbarer Tatbestand vorliegt - von der Bezirksverwaltungsbehörde (Bundespolizeibehörde) als Verwaltungsübertretungen bestraft.
Zur Aufklärung der Sache - hier die Einhaltung der Bestimmungen des MeldeG - kann die Behörde gemäß § 54 AVG 1950, eine Bestimmung, die gemäß § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung zu finden hat, von Amts wegen einen Augenschein vorzunehmen. Der VfGH geht davon aus, daß es sich bei den beschriebenen Amtshandlungen (Betreten von Hotelzimmern bei Durchführung einer sog. Hotelkontrolle) um eine immerhin denkmögliche Anwendung der zit. gesetzlichen Bestimmungen gehandelt hat. Schon aus diesem Grunde ist daher ein verfassungswidriger Eingriff in das Eigentumsrecht des Bf. nicht erfolgt.