B255/69 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Verwaltungsabgaben sind Abgaben i. S. der Finanzverfassung. Wegen ihres engen Zusammenhanges mit dem Verwaltungsverfahren wurden sie in § 78 AVG 1950 geregelt. Diese Gesetzesbestimmung, die bis zur Verwaltungsverfahrensgesetz-Novelle 1948, BGBl. Nr. 49/1948, als Verfassungsbestimmung galt und sowohl Verwaltungsabgaben in Angelegenheiten der Bundesverwaltung als auch (ausgenommen das Ausmaß) der Landesverwaltung und Gemeindeverwaltung umfaßte, bringt zum Ausdruck, daß die Vorschreibung von Verwaltungsabgaben an die Durchführung bestimmter Amtshandlungen der Behörden gebunden ist.
§ 78 Abs. 1 AVG 1950 knüpft die Auferlegung von Verwaltungsabgaben an die Verleihung von Berechtigungen oder sonstige Amtshandlungen der Behörden; deshalb bestimmt § 78 Abs. 4 AVG 1950, daß die Verwaltungsabgaben von der in der Sache in erster Instanz zuständigen Behörde einzuheben sind. Demgemäß sieht § 59 Abs. 1 AVG 1950 vor, daß der Spruch eines Bescheides neben der in Verhandlung stehenden Angelegenheit auch die allfällige Kostenfrage zu erledigen hat, und bestimmt § 57 Abs. 1 AVG 1950, daß bei Vorschreibung von Geldleistungen nach einem feststehenden Maßstab (wozu auch die Verwaltungsabgaben gehören) in einem eigenen Bescheid dieser auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren erlassen werden kann.
Zwar gelten die Bestimmungen des § 78 AVG 1950, seit sie ihres Charakters als Verfassungsbestimmungen entkleidet waren, bei verfassungskonformer Auslegung nur noch für Verwaltungsabgaben in Angelegenheiten der Bundesverwaltung - ausgenommen Abs. 3, der nur eine Verweisung ohne normativen Inhalt darstellt -, bis sie in der Neufassung durch das Bundesgesetz vom 27. Jänner 1968, BGBl. Nr. 45/1968, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz hinsichtlich der Verwaltungsabgaben geändert wird, auch ausdrücklich diesen Inhalt erhielten. Die Bestimmungen des § 78 AVG 1950 haben bei Landesabgaben und Gemeindeabgaben keine Anwendung mehr zu finden.
Die in § 59 Abs. 1 AVG 1950 enthaltene Regelung galt und gilt aber unverändert weiter auch für die Vorschreibung von Landesverwaltungsabgaben und Gemeindeverwaltungsabgaben.
Gemäß § 10 des Grundverkehrsgesetzes 1969 (GVG 1969) , LGBl. Nr. 1/1969, i. d. F. der Wiederverlautbarungskundmachung der Niederösterreichischen Landesregierung, LGBl. Nr. 140, haben die in einem Rechtsgeschäft oder in einem Antrag gemäß § 11 Abs. 2 als Erwerber, Fruchtnießer oder Pächter auftretenden Parteien und die Bewerber um eine Bietgenehmigung gemäß § 14 für die Durchführung der Amtshandlungen eine Verwaltungsabgabe zu entrichten. Das Ausmaß dieser Abgabe und die Art ihrer Entrichtung wird durch Verordnung der Landesregierung festgesetzt. Im Falle der Eigentumsübertragung, der Pachtung oder Einräumung des Fruchtnießungsrechtes ist das Ausmaß nach der Gegenleistung, in Ermangelung einer solchen nach dem Wert des Vertragsgegenstandes abzustufen. Umfaßt der Gegenstand des Rechtsgeschäftes auch Liegenschaften, die den Vorschriften dieses Gesetzes nicht unterliegen, so hat die Gegenleistung bei der Bemessung der Verwaltungsabgabe insoweit außer Betracht zu bleiben, als sie dem Wert dieser Liegenschaften entspricht.
Neben § 10 GVG 1969 sind, soweit dieses Gesetz nähere Bestimmungen nicht enthält, die Bestimmungen des Landesverwaltungsabgabengesetzes und Gemeindeverwaltungsabgabengesetzes, LGBl. Nr. 98/1969, verlautbart am 10. Feber 1969, insbesondere über Ausmaß und die Einhebung der Landesverwaltungsabgaben, heranzuziehen. Dieses Gesetz ist nach seinem § 11 mit dem der Verlautbarung folgenden Monatsersten, das ist am 1. März 1969, in Kraft getreten.
Gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 10 GVG 1969 und die §§ 1 und 2 des Landes- und GemeindeverwaltungsabgabenG sind Bedenken nicht entstanden.
Anwendung der Landes-Verwaltungsabgabenverordnung 1959 im Bereich des § 10 GVG 1969 und der Bestimmungen des Landes- und GemeindeverwaltungsabgabenG, LGBl. Nr. 98/1969.
§ 3 des Landes- und GemeindeverwaltungsabgabenG, LGBl. Nr. 98/1969, bestimmt, daß die Verwaltungsabgabe von der für die Amtshandlung in erster Instanz zuständigen Behörde einzuheben und der Gebietskörperschaft zu belassen ist, die den Aufwand dieser Behörde zu tragen hat. Da § 3 des Gesetzes über den Instanzenzug keine Sonderregelung enthält, ist die im Instanzenzug übergeordnete Behörde zuständig. Das Gesetz hat die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Vorschreibung von Verwaltungsabgaben in Übereinstimmung mit § 59 Abs. 1 AVG 1950 der in der Hauptsache zuständigen Behörde überantwortet. Dementsprechend ist der Instanzenzug eindeutig geregelt.
{Bundes-Verfassungsgesetz Art 99, Art. 99 Abs. 1 B-VG} hat nicht den Inhalt, daß jede Landesverfassung eine vollständige und abschließende Regelung der Materie, insbesondere auch in Richtung der Organisation der Landesverwaltung zu enthalten hat. Die Landesverfassungsgesetze können allerdings Ausführungsgesetze zum B-VG und in Bindung an die Grundlage der Bundesverfassung Regelungen erlassen.