B126/69 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Eine ohne Erlassung eines behördlichen Bescheides erfolgte Festnehmung und Verwahrung hat einen individuellnormativen Inhalt.
Gegen eine derartige faktische Amtshandlung kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH Beschwerde gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 144, Art. 144 B-VG} geführt werden.
Art. 8 StGG in Verbindung mit dem Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit, RGBl. Nr. 87/1862, gewährt im Hinblick auf {Bundes-Verfassungsgesetz Art 149, Art. 149 B-VG} verfassungsgesetzlichen Schutz gegen gesetzwidrige Verhaftungen.
Unter Verhaftung ist die unmittelbare Herbeiführung einer Freiheitsbeschränkung durch eine primär auf eine solche Freiheitsbeschränkung gerichtete Amtshandlung der staatlichen Vollzugsgewalt zu verstehen. In der Vorladung einer Person zur Behörde ist für sich allein noch kein verfassungswidriger Eingriff in die persönliche Freiheit zu erblicken.
Die Festnehmung einer Person gemäß § 35 VStG 1950 ist nur zulässig, wenn sie tatsächlich "auf frischer Tat" betreten wird; diese Voraussetzung für die Festnehmung ist aber nur dann gegeben, wenn die Person bei einer Handlung oder Unterlassung (§ 1 VStG 1950) betreten wird, die zum Tatbild der Übertretung gehört.
§ 36 hat keinen von § 35 VStG 1950 loszulösenden Inhalt; eine Verwahrung nach § 36 VStG 1950 ist nur im Anschluß an eine Festnehmung nach § 35 VStG 1950 zulässig. Kann die erfolgte Festnehmung nicht rechtmäßig auf § 35 VStG 1950 gestützt werden, findet auch die anschließende Verwahrung im § 36 VStG 1950 keine gesetzliche Deckung.