JudikaturVfGH

B239/69 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
10. Dezember 1969

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 1 und § 2 der Geschäftsordnung der Niederösterreichischen Landesregierung i. d. F. der Verordnung vom 30. Mai 1969, LGBl. Nr. 165.

Richtige Anwendung des zitierten § 2.

Im Erk. Slg. 4572/1963 hat der VfGH ausgeführt, aus der Regelung des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 103, Art. 103 Abs. 2 B-VG} (Art. 38 Abs. 3 L-VG für NÖ) , gemäß der die Landesregierung bei der Aufstellung ihrer Geschäftsordnung beschließen könne, daß einzelne Gruppen von Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung wegen ihres sachlichen Zusammenhanges mit Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes im Namen des Landeshauptmannes von Mitgliedern der Landesregierung zu führen sind, ergebe sich zunächst, daß sich die Landesregierung ihre Geschäftsordnung selbst gibt. Außerdem habe die Regelung den Inhalt, daß jeweils jenes Landesregierungsmitglied mit der Führung von Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung betraut werden könne, das die sachlich zusammenhängenden Landesvollzugsangelegenheiten namens der Landesregierung führt. Der Verfassungsgesetzgeber setze also voraus, daß die Landesregierung im Rahmen ihrer Geschäftsordnung einzelne ihrer Mitglieder damit betrauen könne, gewisse Landesvollzugsangelegenheiten im Namen der Landesregierung zu führen.

An dieser Rechtsmeinung hat der VfGH im Erk. Slg. 5846/1968 festgehalten. Davon wird im Ergebnis nicht abgegangen. Richtigerweise muß jedoch zur Begründung dieses Ergebnisses auch auf § 3 Abs. 1 des B-VG vom 30. Juli 1925, BGBl. Nr. 289, betreffend Grundsätze für die Einrichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien hingewiesen werden. Darnach besorgen die Abteilungen des Amtes der Landesregierung die ihnen nach der Geschäftseinteilung zukommenden Geschäfte, soweit es sich um solche des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes handelt, nach den näheren Bestimmungen der Landesverfassung unter der Leitung der Landesregierung oder einzelner Mitglieder derselben ({Bundes-Verfassungsgesetz Art 101, Art. 101 Abs. 1 B-VG}) und, soweit es sich um solche der mittelbaren Bundesverwaltung handelt, unter der Leitung des Landeshauptmannes ({Bundes-Verfassungsgesetz Art 102, Art. 102 Abs. 2 B-VG}) .

Es braucht nicht untersucht zu werden, was Rechtens ist, falls eine Landesverfassung keine "näheren Bestimmungen" i. S. des {Bundes-Verfassungsgesetz § 3, § 3 Abs. 1 B-VG}, BGBl. Nr. 289/1925, enthält. Im L-VG für das Land NÖ i. d. F. von 1930 befinden sich nämlich entsprechende Bestimmungen. Nach Art. 29 erster Absatz wird "die Vollziehung des Landes im selbständigen Wirkungsbereiche ... durch die Landesregierung ausgeübt" . Der erste Absatz in Art. 34 lautet: "Die Landesregierung übt die Vollziehung hinsichtlich des selbständigen Wirkungsbereiches im Lande durch ihre Mitglieder aus." In Art. 41 lautet der zweite Absatz: "Die Abteilungen und Gruppen, denen Beamte des Amtes der Landesregierung vorstehen, besorgen die Geschäfte, soweit es sich um solche des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes handelt, unter der Leitung von Mitgliedern der Landesregierung und, soweit es sich um solche der mittelbaren Bundesverwaltung handelt, unter der Leitung des Landeshauptmannes." Das Landes-Verfassungsgesetz sieht damit die Übertragung von Zuständigkeiten der Landesregierung auf ihre einzelnen Mitglieder (d. i. das "Ministerialsystem") vor.

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