G27/68 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
I. § 15 Abs. 3, § 15 a Abs. 1 und § 16 Abs. 1 des Slbg. Landesgrundverkehrsgesetzes 1964 - Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung LGBl. Nr. 95/1964 - werden nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
II. 1. Die Grundverkehrslandeskommission ist nicht gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 133, Art. 133 Z 4 B-VG} eingerichtet. Das Gesetz enthält nämlich keine Regelung, daß die Richter und "auch die übrigen Mitglieder der Kommission an keine Weisung gebunden sind" .
Es sind also sowohl die der Kollegialbehörde angehörenden Richter - da sie weder nach {Bundes-Verfassungsgesetz Art 133, Art. 133 Z 4 B-VG} bestellt sind noch ihr richterliches Amt ausüben ({Bundes-Verfassungsgesetz Art 87, Art. 87 Abs. 1 B-VG}) , wenn sie im Kollegium fungieren - als auch die übrigen Kommissionsmitglieder nicht weisungsfrei, sondern weisungsgebunden ({Bundes-Verfassungsgesetz Art 20, Art. 20 Abs. 1 B-VG}) .
Das widerspricht nicht der Verfassung. Im Wesen der Kollegialbehörde liegt kein Hindernis, sie Weisungen zu unterwerfen. Auch die Organisation der hier in Rede stehenden Kollegialbehörden schließt nicht aus, daß die Behörden weisungsgebunden sind. Die Landesregierung ist daher in der Lage, den ihr nach Art. 20 und {Bundes-Verfassungsgesetz Art 101, Art. 101 B-VG} zukommenden Einfluß auf diese Behörden zu nehmen, obwohl sie selbst ihnen gegenüber nicht Rechtsmittelinstanz ist. Die Landesregierung ist also in Angelegenheiten des Grundverkehrs keineswegs ausgeschaltet; sie hat durchaus die rechtliche Möglichkeit, in allen bei den Grundverkehrsbehörden anhängigen Fällen von ihrem Weisungsrecht Gebrauch zu machen. Die Einrichtung eines Rechtsmittelzuges zum obersten Vollzugsorgan würde die Effektivität des Weisungsrechtes allein schon deswegen nicht sichern, weil das Streben der Partei nicht konform der Weisung zu sein braucht; die Partei wird z. B. wahrscheinlich kein Rechtsmittel gegen einen weisungswidrigen Bescheid einbringen, wenn der Bescheid ihren Interessen entspricht. Eine verfassungswidrige Schmälerung der Rechte des obersten Vollzugsorganes liegt - obwohl gegen die Entscheidung der Grundverkehrslandeskommission kein Rechtsmittelzug an die Landesregierung führt (§ 15 Abs. 3 leg. cit.) - nicht vor.
Die im Erk. Slg. 3054/1956 zum Ausdruck kommende Meinung hinsichtlich des Erfordernisses der Einrichtung eines Rechtsmittelzuges wird nicht aufrecht erhalten.
Dem Landesgesetzgeber steht es frei, den Instanzenzug abzukürzen.
2. Die Beisitzer gemäß § 15 a Abs. 1 und § 16 Abs. 1 werden nicht durch einen behördlichen Akt ernannt, sie werden von Körperschaften - Kammern und Gemeinden - "entsendet" . Die Körperschaften nominieren bloß. Die Eigenschaft als Beisitzer erhalten die Nominierten durch das Gesetz selbst, das mit der Entsendung die Beisitzereigenschaft verbindet.
Im Rahmen der Vollziehung des GVG 1964 ist die Entsendung ein Sachverhalt, an den das Gesetz die Norm knüpft, daß die Entsendeten die Eigenschaft erlangen, Mitglieder der Kollegialbehörde zu sein.
Verfassungsrechtlich ist gegen eine solche Regelung nichts einzuwenden. Es wäre ja auch dem Gesetzgeber durch die Verfassung nicht verwehrt, die Mitgliedschaft an einer Kollegialbehörde an eine bestimmte Stellung in einer Kammer oder einer Gemeinde zu binden; z. B. könnte das Gesetz bestimmen, daß der jeweilige Präsident der Landwirtschaftskammer Mitglied der Landesgrundverkehrsbehörde ist.
Es ist weiters verfassungsrechtlich nichts dagegen einzuwenden, wenn der Landesgesetzgeber die Nominierung auch einer Kammer überläßt, die durch Bundesgesetz eingerichtet ist (Kammer der gewerblichen Wirtschaft, Kammer für Arbeiter und Angestellte) . Würde das den Aufgabenbereich einer solchen Kammer regelnde Bundesgesetz keine Grundlage für eine Nominierung i. S. des GVG 1964 bieten, so wäre das Landesgesetz insoweit allerdings rechtlich wirkungslos; auch die Bundesregierung könnte durch eine Zustimmung gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 97, Art. 97 Abs. 2 B-VG} den Aufgabenbereich der Kammer nicht erweitern. Das GVG 1964 wäre aber deswegen nicht verfassungswidrig (vgl. das Erk. Slg. 5931/1969, in Verbindung mit dem Erk. Slg. 3516/1959, aus dem hervorgeht, daß § 4 Abs. 1 Z 5 lit. a des Grunderwerbsteuergesetzes 1955 in jenen Ländern nicht anwendbar ist, in denen der Bodenreform- Landesgesetzgeber eine bestimmte Zuständigkeit der Agrarbehörde nicht begründet hat; vgl. weiters das Erk. Slg. 4708/1964, in dem ausgeführt worden ist, daß § 13 Abs. 1 Z 2 zweiter Satz EStG 1953 und § 7 Abs. 2 Z 1 lit. a fünfter Satz UStG 1959 nur in jenen Bundesländern anwendbar sind, in denen der Landesgesetzgeber bestimmte sachverhaltsmäßige Voraussetzungen geschaffen hat) .
Keine Schmälerung der Stellung der Landesregierung als Oberstes Vollzugsorgan durch Entsendung von Mitgliedern in Kollegialorgane des Landesvollziehungsbereiches seitens öffentlichrechtlicher Körperschaften bzw. durch Bindung an Vorschläge anderer Stellen betreffend die Ernennung solcher Mitglieder.
3. Die Vorschläge des Präsidenten des Landesgerichtes betreffend die Bestellung des Vorsitzenden der Kommission und dessen Stellvertreter sind nur ein Sachverhalt, an den das Gesetz den Auftrag an die das Gesetz vollziehende Landesregierung knüpft, auf Grund dieser Vorschläge den Vorsitzenden und dessen Stellvertreter zu berufen.
Gegen eine Regelung, wie sie hier hinsichtlich der Bestellung des Vorsitzenden (seines Stellvertreters) der Grundverkehrslandeskommission getroffen worden ist, kann verfassungsrechtlich - die Zustimmung der Bundesregierung gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 97, Art. 97 Abs. 2 B-VG} vorausgesetzt - nichts eingewendet werden.