JudikaturVfGH

B347/68 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
25. Juni 1969

§ 24 Abs. 1 der Vierten Durchführungsverordnung zum Ehegesetz - 4. DVOEheG - vom 25. Oktober 1941, DRGBl. I S. 654, besagt, daß die Wirksamkeit einer ausländischen, den Bestand einer Ehe betreffenden Entscheidung im Inland von einer Feststellung des BM für Justiz oder der von ihm bestimmten Stelle abhängig ist. Sinn dieser Regelung kann es nicht sein, daß Gerichte und Verwaltungsbehörden solange vom Bestand einer Ehe ausgehen dürfen, bis die vorgesehene Feststellung getroffen ist. Dies hätte bis zum Vorliegen einer solchen Feststellung eine erhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge. Der Sinn der Bestimmung ist es vielmehr, die Beurteilung der Frage, ob eine ausländische Entscheidung im Inland wirksam ist oder nicht, beim BM für Justiz zu konzentrieren. Bevor dieses eine diesbezügliche Feststellung getroffen hat, ist die Frage noch offen. Damit ist aber die Beurteilung einer solchen ausländischen Entscheidung durch eine andere Verwaltungsbehörde oder ein Gericht, und zwar auch als Vorfrage, ausgeschlossen. Für den Bereich des § 24 Abs. 1 der 4. DVOEheG ist somit die vorläufige Beurteilung einer Vorfrage i. S. des von § 38 AVG 1950 selbst gemachten Vorbehaltes ("Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen") nicht möglich.

Eine österreichische Behörde darf also die Frage, ob die ausländische Scheidung der Ehe im Inland wirksam ist, nicht selbst als Vorfrage beurteilen. Wenn sie aber in der Hauptsache nicht pflichtgemäß entscheiden kann, solange die Vorfrage nicht gelöst ist, hat sie das Recht, beim BM für Justiz den Antrag auf Feststellung nach § 24 Abs. 1 der 4. DVOEheG zu stellen. Der Wortlaut dieser Gesetzesbestimmung schließt ein solches Antragsrecht nicht aus, der Sinn der Bestimmung schließt es jedoch ein. Das Antragsrecht bezieht sich allerdings nur darauf, daß eine Feststellung überhaupt getroffen wird, es bezieht sich keinesfalls auf eine Feststellung eines bestimmten - positiven oder negativen - Inhaltes.

Keine Bedenken, daß § 24 Abs. 1 der 4. DVOEheG gegen den in {Bundes-Verfassungsgesetz Art 94, Art. 94 B-VG} verankerten Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung verstoße. Die in dieser Gesetzesstelle dem BM für Justiz eingeräumte Zuständigkeit bezieht sich nämlich nicht auf die Überprüfung von Akten der Gerichtsbarkeit i. S. des B-VG.

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