JudikaturVfGH

B107/68 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
20. Juni 1969

Nach der Regelung des § 3 Abs. 1 Z 2 Tiroler Flurverfassungs- Landesgesetz ist "die Zusammenlegung landwirtschaftlicher Grundstücke bei Zutreffen der wirtschaftlichen Voraussetzungen einzuleiten, wenn die Hälfte der Eigentümer der in Betracht kommenden Grundstücke die Zusammenlegung begehrt" . § 3 Abs. 1 Z 2 FLG differenziert also zwischen den keinen Antrag stellenden Eigentümern von in Betracht kommenden Grundstücken, je nachdem ihnen als Antragsteller weniger als die Hälfte der Eigentümer der in Betracht kommenden Grundstücke oder wenigstens die Hälfte dieser Eigentümer gegenübersteht.

Es bestehen zwar die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Zusammenlegung darin, daß in einem Gebiet landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Grundstücke zersplittert oder ungünstig geformt sind und daß durch die Zusammenlegung daraus Grundabfindungen gewonnen werden können, die erfolgreicher bewirtschaftet werden können, wobei der Zusammenlegungsaufwand angemessen sein muß (§ 1 Abs. 1 FLG) . Es ist somit richtig, daß es bei der Zusammenlegung auf die Grundstücke, nicht auf die Anzahl der Eigentümer der Grundstücke ankommt.

Die Verfassung verbietet aber dem Gesetzgeber nicht, im Rahmen der Regelung des Zusammenlegungsverfahrens Bestimmungen zu treffen, die diesem Umstand nicht Rechnung tragen.

Die in Rede stehende Vernachlässigung der Größe der in Betracht kommenden Grundstücke ist nämlich sachlich begründbar. Liegt es doch in der Linie der Agrarpolitik, möglichst vielen Betrieben die Vorteile der Zusammenlegung zukommen zu lassen und dabei darnach zu trachten, daß auch viele kleine Betriebe der planmäßigen Neuordnung i. S. der Bodenreform zugeführt werden. Wenn der Gesetzgeber also, so wie es hier geschieht, aus agrarpolitischen Gründen die Hälfte der Grundeigentümer, die eine Zusammenlegung wollen, auch bevorzugt, wenn die Summe ihrer Grundstücke weniger Katastralreinertrag aufweist oder weniger groß ist als die Summe aller Grundstücke der anderen Hälfte der Eigentümer, so hält er sich dabei durchaus im Rahmen einer sachlichen Agrarpolitik. Gesetzliche Regelungen, die der Verfolgung agrarpolitischer Ziele dienen, verstoßen jedoch nicht gegen den Gleichheitssatz, solange die vom Gesetzgeber gewählte Lösung nicht exzessiv ist.

Der Beistand hat die Rechte und Pflichten eines Vormundes (§ 4 Entmündigungsordnung) . Er ist daher u. a. auch an {Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 233, § 233 ABGB} gebunden. Darnach kann er "in allen Geschäften, welche nicht zu dem ordentlichen Wirtschaftsbetriebe gehören und welche von größerer Wichtigkeit sind, nichts ohne gerichtliche Einwilligung vornehmen" .

Er kann also eigenmächtig u. a. "keine Veräußerung der seiner Verwahrung anvertrauten Güter vornehmen" und "keinen Pachtvertrag abschließen" .

Der Antrag auf Einleitung des Zusammenlegungsverfahrens ist kein Geschäft, das zum "ordentlichen Wirtschaftsbetrieb" gehört. Mit der Zusammenlegung ist nämlich notwendigerweise eine "Veräußerung" aller in sie einbezogenen Grundstücke des Betriebes verbunden; daran ändert der Umstand nichts, daß der Pflicht zur Hingabe der Grundstücke der Anspruch auf die Übertragung des Eigentums an Abfindungsgrundstücken verbunden ist. Die Liegenschaftssubstanz des Betriebes wird also umstrukturiert. Es ist ausgeschlossen, einen darauf abzielenden Rechtsakt als zum "ordentlichen" (gewöhnlichen, laufenden) Wirtschaftsbetriebe gehörend anzusehen.

Für einen landwirtschaftlichen Betrieb ist die Liegenschaftssubstanz von ausschlaggebender Wichtigkeit für den Betriebserfolg. Wenn z. B. erheblich mehr als die Hälfte der Liegenschaftssubstanz des Betriebes in die Zusammenlegung einbezogen wird, ist es ausgeschlossen, den diesbezüglichen Antrag nicht als Rechtsgeschäft von größerer Wichtigkeit anzusehen.

Mangelt die gemäß {Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 233, § 233 ABGB} erforderliche gerichtliche Einwilligung, ist der in Rede stehende Antrag ungültig.

Handelt es sich um einen an eine Behörde gestellten Antrag der Gemeinde als Träger subjektiver Rechte, so geht es nicht um "gemeindeinterne" Rechtsverhältnisse, sondern um die Frage der Rechtswirksamkeit des Antrages der Gemeinde, die nicht gegeben ist, wenn die Gemeinde das Begehren nicht durch das zuständige Organ gestellt hat.

Ein Antrag muß, um zulässig zu sein, der Rechtslage völlig entsprechen; es genügt nicht allein die einwandfreie äußere Form. Die Behörde hat die Zulässigkeit nach jeder Richtung hin zu prüfen.

Erläßt die Behörde einen antragsbedürftigen Bescheid, ohne daß die erforderlichen Anträge rechtswirksam gestellt waren, so fehlt ihr die Zuständigkeit. Das Recht, dem gesetzlichen Richter nicht entzogen zu werden, wird durch den Bescheid verletzt.

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