JudikaturVfGH

G4/69 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
12. Juni 1969

Dem Antrag, die Wendung "und 7" im § 2 Abs. 1 des Slbg. Wohnbauförderungs-Grundsteuerbefreiungsgesetzes 1968, LGBl. Nr. 77, als verfassungswidrig aufzuheben, wird keine Folge gegeben.

Die Grundsteuer ist eine vom Bund für Zwecke der Gemeinden erhobene Abgabe i. S. des {Finanz-Verfassungsgesetz 1948 § 7, § 7 Abs. 3 zweiter Satz F-VG 1948} (vgl. die Erk. Slg. 3024/1956, 3273/1957 und 4763/1964) . Demnach kann der Bundesgesetzgeber die Regelung der Erhebung und Verwaltung dieser Abgabe zur Gänze oder hinsichtlich der Grundsätze dem Bund vorbehalten, wobei unter Verwaltung die Bemessung, Einhebung und zwangsweise Einbringung zu verstehen ist; der Bundesgesetzgeber ist aber auch berechtigt, die Regelung der Grundsteuer zur Gänze oder für einen von ihm bestimmten Teilbereich der Landesgesetzgebung zu überlassen (vgl. hiezu insbesondere Erk. Slg. 3024/1956) .

Bezüglich der Zuständigkeit zur Vollziehung bestimmt § 11 F-VG 1948, inwieweit die Bemessung, Einhebung und zwangsweise Einbringung im Hinblick auf die einzelnen Hauptformen und Unterformen der Abgaben (§ 6) Organen des Bundes, der Länder, der Gemeinden (Gemeindeverbände) oder anderer Körperschaften übertragen werden kann. Aus § 11 Abs. 3 in Verbindung mit {Finanz-Verfassungsgesetz 1948 § 7, § 7 Abs. 3 F-VG 1948} ergibt sich nun, daß die Verwaltung von Gemeindeabgaben (die Grundsteuer ist gemäß § 14 Abs. 1 Z 1 des Finanzausgleichsgesetzes 1967 - FAG 1967, BGBl. Nr. 2/1967, eine ausschließliche Gemeindeabgabe) nicht nur Organen der Gemeinde, sondern auch Organen des Bundes oder der Länder übertragen werden kann.

Auf dem Gebiete der Abgabenausschreibung der Gemeinden wurde durch die B-VG-Novelle 1962, BGBl. Nr. 205/1962, keine Veränderung der auf dem F-VG 1948 beruhenden Rechtslage bewirkt, denn das der Gemeinde gemäß den durch diese Novelle neugefaßten Bestimmungen der Art. 116 Abs. 2 und 118 Abs. 2 B-VG zukommende und vom eigenen Wirkungsbereich umfaßte Recht, Abgaben auszuschreiben, ist ihr ausdrücklich nur "im Rahmen der Finanzverfassung" gewährt. Daß unter dem Begriff "Abgaben ausschreiben" das Recht der Gemeinde zu verstehen ist, Steuerquellen zu erschließen und sie zu nützen, wurde durch die Rechtsprechung des VfGH klargestellt (vgl. Erk. Slg. 5359/1966, 5559/1967) .

Nur soweit nach den Bestimmungen des F-VG 1948 und der darauf beruhenden Bundesgesetze und Landesgesetze der Gemeinde eine Aufgabe bei der Abgabenausschreibung zukommt, ist eine Zuordnung dieser Aufgabe zum eigenen Wirkungsbereich möglich; soweit die auf dem F-VG 1948 beruhenden Gesetze die Verwaltung von Gemeindeabgaben Organen des Bundes oder eines Landes übertragen, ist eine solche Zuordnung ausgeschlossen.

Die Bestimmung des § 16 Abs. 1 FAG 1967, die bezüglich der Regelung der Grundsteuerbefreiung und des Verfahrens auf in Kraft stehende bundesgesetzliche Vorschriften und bezüglich der Zuständigkeit der Gemeinden auf die Rechtsfigur der "Berechnung und Festsetzung des Jahresbetrages" Bezug nimmt, ist nur in Zusammenhang mit den Bestimmungen des Grundsteuergesetzes 1955, BGBl. Nr. 149/1955, und der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, zu verstehen.

Gemäß § 16 Abs. 1 FAG 1967 ist die Regelung der zeitlichen Befreiung für Neubauten, Zubauten, Aufbauten, Umbauten und Einbauten und des Verfahrens hinsichtlich der Grundsteuer der Landesgesetzgebung nur insoweit überlassen, als nicht bundesgesetzliche Vorschriften in Kraft stehen. Die Landesgesetzgebung hat also keine Zuständigkeit zu einer hievon abweichenden Regelung. Es wird somit auch die Anwendung der BAO auf die ersten beiden Stufen des Erhebungsverfahrens durch § 16 Abs. 1 FAG 1967 nicht berührt.

In den geltenden Rechtsvorschriften ist keine Grundlage für die Annahme gegeben, daß die Finanzämter lediglich über das Vorliegen der im § 2 des GrundsteuerG 1955 festgesetzten Dauerbefreiungstatbestände abzusprechen hätten, nicht jedoch über zeitliche Grundsteuerbefreiungen nach landesgesetzlichen Vorschriften.

Gerade der Umstand, daß durch § 16 Abs. 1 FAG 1967 im Zusammenhang mit der voranstehenden Einschränkung ("der Landesgesetzgebung insoweit überlassen wird, als nicht bundesgesetzliche Vorschriften in Kraft stehen") die konkrete Rechtsfigur der "Berechnung und Festsetzung des Jahresbetrages der Grundsteuer" , also die letzte Stufe im System der Grundsteuerberechnung, ohne an dem rechtlichen Gehalt dieser Rechtsfigur etwas zu ändern, auf die Gemeinden übertragen wird, zeigt, daß das System der Grundsteuerberechnung unverändert bleibt. Die weitere Übertragung der "Einhebung und der zwangsweisen Einbringung" auf die Gemeinden kann dann rechtslogisch nur die der Festsetzung des Jahresbetrages folgenden Maßnahmen der Einhebung i. S. des 6. Abschnittes der BAO (§§ 210 bis 242) und Maßnahmen der Einbringung i. S. der Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1969, umfassen.

Die unklar gefaßten Bestimmungen der §§ 3 und 7 im Slbg. Bautenbegünstigungsgesetz 1953 sind nur in ihrem Zusammenhang richtig zu verstehen. Nach § 3 bestimmt sich das Ausmaß der Steuerbefreiung nach dem Verhältnis, in dem der Steuermeßbetrag nach der begünstigten Bauführung (neuer Meßbetrag) zu dem Steuermeßbetrag vor dieser Bauführung (früherer Meßbetrag) steht. Da in der Festsetzung des Steuermeßbetrages auch die Feststellung der sachlichen Steuerpflicht liegt, bildet der nach der begünstigten Bauführung festzusetzende neue Meßbetrag die Grundlage für die Berechnung und Festsetzung des Jahresbetrages der Steuer durch die Gemeinde; folgerichtig ist § 3 auch mit "Festsetzung der Bemessungsgrundlage" überschrieben.

Daraus ergibt sich, daß die Differenz zwischen dem Jahresbetrag vor der begünstigten Bauführung und dem Jahresbetrag nach der begünstigten Bauführung das Ausmaß der Steuerbefreiung ausmacht, was infolge des gleichen Hebesatzes als Multiplikator einer Steuerbefreiung im Verhältnis des neuen zum früheren Meßbetrag gleichkommt.

Der Auslegung, daß unter dem "neuen Meßbetrag" jener Steuermeßbetrag gemeint ist, in dem die Feststellung der sachlichen Steuerpflicht nach der begünstigten Bauführung liegt (der sich also unter Berücksichtigung der Befreiungsbestimmungen des BautenbegünstigungsG als "gekürzter" Meßbetrag darstellt) und nicht jener Meßbetrag, den das Finanzamt bereits auf Grund bundesgesetzlicher Normen (§ 18 Abs. 1 des GrundsteuerG 1955) nach Beendigung der Bauführung festzusetzen hat, fügt sich § 7 des BautenbegünstigungsG 1953 sinnvoll ein. Da in der Festsetzung des neuen, gekürzten Meßbetrages auch die Entscheidung über die Steuerbefreiung liegt, ist es richtig, wenn § 7 Abs. 1 des Gesetzes bestimmt, daß zur Entscheidung über die Befreiungsansprüche das Finanzamt zuständig ist. Damit wird aber nicht durch Landesgesetz eine Zuständigkeit der Finanzämter begründet, sondern nur in Übereinstimmung mit der auf dem GrundsteuerG 1955, der BAO und dem FAG 1967 beruhenden bundesrechtlichen Regelung festgestellt. Die Bestimmung des § 7 Abs. 2, wonach die Steuerbefreiung der Gemeinde von Finanzamt mit dem Einheitswertbescheid und Grundsteuermeßbescheid bekanntgegeben wird, entspricht dem {Bundesabgabenordnung § 194, § 194 Abs. 4 BAO}.

§ 3 Abs. 2 des BautenbegünstigungsG 1953 stellt eine Untergrenze für die Befreiung dar. In dieser Bestimmung ist zwar von der Festsetzung der Steuer die Rede. Daraus ergibt sich aber nicht, daß die Untergrenze der Steuerbefreiung nicht schon bei der Festsetzung des neuen Meßbetrages zu beachten wäre. Eine solche Auffassung würde dem sich aus dem übrigen Inhalt des § 3 (der von der "Festsetzung der Bemessungsgrundlage" handelt) und des § 7 ergebenden Systems der Steuerbefreiung, das der vom GrundsteuerG 1955, der BAO und dem FAG 1967 vorgezeichneten Rechtslage entspricht, zuwiderlaufen. Der Begriff "Festsetzung der Steuer" ist auch nicht mit der Rechtsfigur der Festsetzung des Jahresbetrages der Steuer ident, sondern kann ebenso auf die Rechtsfigur der Festsetzung des Steuermeßbetrages bezogen werden. Aus keiner Bestimmung des BautenbegünstigungsG 1953 ergibt sich auch, daß die den Gemeinden obliegende Berechnung und Festsetzung des Jahresbetrages der Grundsteuer im Verhältnis zu der dargestellten Rechtslage geändert werden sollte, insbesondere daß sie etwa nun auch die Entscheidung über die Steuerbefreiung umfassen sollte.

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