JudikaturVfGH

KII-2/68 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
10. Dezember 1968

Gesetze, die ausschließlich eine "Geldbeschaffung für eine Gebietskörperschaft in der rechtlichen Art der Abgabenerhebung" regeln, sind Abgabengesetze im Sinne des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, sie fallen unter den Begriff "Abgabenwesen" i. S. des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 13, Art. 13 B-VG}.

Nach dem F-VG 1948 und nach den auf seiner Grundlage erlassenen, derzeit geltenden Bundesgesetzen fallen Akte der Gesetzgebung, die das Halten oder Parken von Fahrzeugen auf Verkehrsflächen, die nicht Bundesstraßen sind, besteuern, in die Zuständigkeit der Länder.

Gemäß Art. 138 Abs. 2 B-VG stellt der VfGH fest, "ob ein Akt der Gesetzgebung oder Vollziehung gemäß Art. 10 bis 15 B-VG in die Zuständigkeit des Bundes oder der Länder fällt" . Auch Art. 13 B-VG soll demnach diesem klaren Wortlaut gemäß zur Kompetenzfeststellung herangezogen werden. Daran ändert der Umstand nichts, daß nach diesem Artikel die Zuständigkeiten des Bundes und der Länder auf dem Gebiete des Abgabenwesens durch ein eigenes Bundesverfassungsgesetz ("Finanz-Verfassungsgesetz") geregelt werden. Der Befehl des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 138, Art. 138 Abs. 2 B-VG} besagt danach für den Bereich des Art. 13, daß die Kompetenzfeststellung an Hand der durch das F-VG oder auf Grund des F-VG geschaffenen Maßstäbe zu treffen ist.

Sowohl Art. 13 als auch {Bundes-Verfassungsgesetz Art 138, Art. 138 Abs. 2 B-VG} haben durch die B- VGNov. 1925 den jetzt geltenden Wortlaut erhalten.

Außerdem hat der Nationalrat am 30. Juli 1925 nicht nur die B- VGNov. sondern auch die Dritte Finanz-Verfassungsnovelle (die dann im BGBl. Nr. 270/1925 kundgemacht worden ist) beschlossen; diese Novelle betraf das F-VG BGBl. Nr. 124/1922, das schon damals hinsichtlich des Systems der Verteilung der Besteuerungsrechte und Abgabenerträge denselben im Abgabenteilungsgesetz verwirklichten Grundgedanken zum Ausdruck brachte, der auch jetzt im F-VG 1948 enthalten und im Finanzausgleichsgesetz verwirklicht ist. Durch diese historischen Zusammenhänge wird unterstrichen, daß der Verfassungsgesetzgeber dem VfGH auch die Zuständigkeit einräumen wollte, festzustellen, ob ein Akt der Gesetzgebung oder Vollziehung nach den Bestimmungen des F-VG auf das im {Bundes-Verfassungsgesetz Art 13, Art. 13 B-VG} verwiesen wird, in die Zuständigkeit des Bundes oder der Länder fällt.

Im Kompetenzfeststellungsverfahren ist nicht zu prüfen, ob ein Gesetz, das gleich dem im Entwurf vorgelegten ist, im übrigen, soweit es also nicht um die Frage der Kompetenz geht, der Verfassung entspricht.

{Finanz-Verfassungsgesetz 1948 § 3, § 3 F-VG 1948} bestimmt, daß die Bundesgesetzgebung die Verteilung der Besteuerungsrechte und der Abgabenerträge regelt. Es ist der Bundesgesetzgebung vorbehalten, Abgaben ausschließlich den Ländern (Gemeinden) zu überlassen. Eine solche Regelung hat der Bund bisher in allen Finanzausgleichsgesetzen getroffen; derzeit befindet sich diese Regelung im § 14 Abs. 1 FAG 1967. Doch ist - es handelt sich um eine demonstrative Aufzählung von Abgaben - dadurch nicht ausgeschlossen, daß die Landesgesetzgebung auch andere Abgaben einführt. Dies entspricht dem § 8 F-VG 1948, aus dem sich ergibt, daß die Landesgesetzgebung auf alle Besteuerungsgegenstände greifen kann, soweit sie nicht in Widerspruch zu Bundesgesetzen gerät, wobei insbesondere die Verbote des § 8 Abs. 3 und 4 F-VG 1948 zu beachten sind. Aus dem System der Finanzverfassung ergibt sich also, daß den Ländern das Abgabengesetzgebungsrecht zukommt, soweit der Bund Besteuerungsrechte nicht in Anspruch genommen hat. Diese Kompetenz der Länder schließt demnach das Recht ein, neue Abgaben zu finden.

Der Kreis der ausschließlichen Landesabgaben (Gemeindeabgaben) ist in diesem Rahmen beliebig erweiterungsfähig.

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