B145/68 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Gemäß § 63 Abs. 5 AVG 1950 ist die Berufung bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Behörde I. Instanz darf die Rechtsmittelbehörde nicht darüber in Unkenntnis lassen, daß eine Berufung eingebracht worden ist. Es steht ihr nicht zu, im Berufungsverfahren selbst über die Versendung der Verwaltungsakten an eine andere Behörde zur Einsichtnahme zu befinden. Sie hat, dies ergibt sich aus dem Zweck der Regelung des § 63 Abs. 5 erster Satz in Verbindung mit § 73 Abs. 1 AVG 1950, die Verwaltungsakten samt der Berufungsschrift unverzüglich der Rechtsmittelbehörde zukommen zu lassen.
Mit dem "Einbringen" der Berufungsschrift bei dieser Behörde beginnt die Frist gemäß § 73 Abs. 1 AVG 1950 zu laufen. Die im Instanzenzug verbundenen Behörden bilden nämlich auch diesbezüglich eine Einheit. Der Zweck der Regelung schließt es völlig aus, der Vorschrift einen anderen Inhalt beizumessen, und der Wortlaut der Gesetzesstelle erlaubt diese Auslegung. Daraus ergibt sich, daß das Wort "Behörde" im letzten Satz des § 73 Abs. 2 AVG 1950 im selben Sinn zu verstehen ist. Auch hier erlaubt der Wortlaut der Regelung eine solche Auslegung, während es der Zweck der Regelung verbietet, unter "Behörde" nur die Rechtsmittelinstanz zu verstehen.
Durch die rechtswidrige Abweisung eines gemäß § 73 AVG 1950 gestellten Antrages seitens der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde auf Grund des letzten Satzes im Abs. 2 der zitierten Gesetzesstelle wird der Antragsteller im Recht auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.