B102/68 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
§ 6 Wr. Grundsteuerbefreiungsgesetz 1962, LGBl. Nr. 8/1952, fügt sich dem durch § 16 Abs. 1 des Finanzausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 2/1967, vorgezeichneten Rahmen ein.
Für die Berechnung und Festsetzung des Jahresbetrages der Grundsteuer enthält das WGrStBG keine Regelung. Diesbezüglich ist in Übereinstimmung mit dem FAG 1967 gemäß §§ 27 und 28 des Grundsteuergesetzes 1955, BGBl. Nr. 149/1955, die Zuständigkeit der Gemeinde gegeben.
Die Berechnung und Festsetzung des Jahresbetrages der Grundsteuer ist in dem System der Grundsteuerberechnung der letzte Abschnitt. Ihr voran gehen als erster Abschnitt die Ermittlung der Besteuerungsgrundlage, für die der Einheitswert maßgebend ist, nach den Bestimmungen der §§ 12 bis 17 des GrundsteuerG 1955 und als zweiter Abschnitt die Festsetzung der Steuermeßbeträge nach den Bestimmungen der §§ 18 bis 26 des GrundsteuerG 1955. Für diese beiden Abschnitte der Grundsteuerberechnung sind die Finanzämter zuständig.
Vgl. §§ 53, 194 und 196 der Bundesabgabenordnung (BAO) , BGBl. Nr. 194/1961.
Die Entscheidung über ein Ansuchen um Befreiung nach dem WGrStBG mündet für die Dauer der Steuerbefreiung in eine Kürzung des Steuermeßbetrages um jenen Teil, der auf die neuen und befreiten Wohnungen, Wohnräume oder Wohnraumteile entfällt (§§ 4 und 6 WGrStBG , also in eine Maßnahme, die zu dem dargelegten zweiten Abschnitt im System der Grundsteuerberechnung gehört. Da die in § 16 Abs. 1 FAG 1967 der Landesgesetzgebung eingeräumte Zuständigkeit nur soweit reicht, als nicht bundesgesetzliche Vorschriften in Kraft stehen, und da für die Festsetzung des Grundsteuermeßbetrages die Bestimmungen des {Bundesabgabenordnung § 194, § 194 BAO}, nach denen diese Festsetzung den Finanzämtern obliegt, in Kraft stehen, darf die Landesgesetzgebung keine davon abweichende Regelung treffen.
Die in § 6 WGrStBG getroffene Regelung enthält ihrer sprachlichen Fassung nach nicht die Einräumung einer Entscheidungszuständigkeit an die Finanzämter, sondern setzt deren Zuständigkeit voraus. Diese Regelung entspricht somit dem § 16 Abs. 1 FAG 1967.
Über Berufungen gegen Bescheide der Finanzämter entscheidet gemäß {Bundesabgabenordnung § 260, § 260 BAO} die Finanzlandesdirektion als Abgabenbehörde zweiter Instanz, gegen deren Bescheid gemäß {Bundesabgabenordnung § 291, § 291 BAO} ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig ist.
Die Wr. Abgabenordnung LGBl. Nr. 21/1962 findet keine Anwendung, weil sie gemäß ihrem § 1 Abs. 2 auf das Verfahren hinsichtlich der Grundsteuer nur Anwendung findet, soweit diese Abgaben von Organen der Stadt Wien verwaltet werden und nicht Abgabenbehörden des Bundes einzuschreiten haben und soweit nicht für dieses Verfahren bundesgesetzliche Vorschriften in Kraft stehen.
Gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 116, Art. 116 Abs. 2 B-VG} hat die Gemeinde das Recht, im Rahmen der Finanzverfassung ihren Haushalt selbständig zu führen und Abgaben auszuschreiben. Diese Angelegenheiten werden gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 118, Art. 118 Abs. 2 B-VG} vom eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde umfaßt. Unter dem Begriff "Abgaben ausschreiben" ist hier das gleiche zu verstehen, was in {Finanz-Verfassungsgesetz 1948 § 7, § 7 Abs. 5 F-VG 1948} mit diesem Begriff und in {Finanz-Verfassungsgesetz 1948 § 8, § 8 Abs. 5 F-VG 1948} mit dem Begriff "Abgaben erheben" verstanden wird. Es ist dies das Recht der Gemeinde, Steuerquellen zu erschließen und sie zu nutzen. Die Worte "im Rahmen der Finanzverfassung" bringen eindeutig zum Ausdruck, daß auf dem Gebiet der Abgabenausschreibung in der dargelegten Bedeutung die auf dem F-VG 1948 beruhende Rechtslage durch die B-VG-Novelle 1962 nicht verändert wurde.