V37/67 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Die Verordnung des Wiener Magistrates vom 12. Juni 1961, Zl. M. Abt. 70-II/69/61, betreffend das Verbot des Parkens auf Fahrbahnen mit Straßenbahngleisen im Ortsgebiet von Wien, verlautbart im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 50/1961, war bis zum 26. Jänner 1968 gesetzwidrig.
"Parkverbote" sind in der im § 44 Abs. 4 StVO 1960 vorgeschriebenen Weise kundzumachen, ansonsten sie nicht gehörig kundgemacht sind.
Vom Wortlaut und vom Wortsinn her ist die Vorschrift des § 44 Abs. 4 StVO 1960 eindeutig. Verlangt wird ein unmittelbarer räumlicher Zusammenhang zwischen dem Richtzeichen "Ortstafel" und dem Verbotszeichen (mit dem Zusatz) . Eine wörtliche Auslegung wird aber den Zweck der Norm, dem Fahrzeuglenker die Vorschrift zur Kenntnis zu bringen, nicht immer erfüllen, etwa dann, wenn die Zeichen wegen des Straßenverlaufes plötzlich in den Gesichtskreis des Verkehrsteilnehmers treten. Außerdem ist jede Zeichenhäufung einer verläßlichen Wahrnehmung abträglich. Zu beachten ist auch noch, daß dem Fahrzeuglenker nicht eine unmittelbare Reaktion, sondern ein späteres Verhalten aufgetragen wird. Es muß ihm möglich sein, die Vorschrift in sein Gedächtnis aufzunehmen, und hiezu bedarf es eines gewissen Zeitintervalles. Diese Umstände legen es nahe, die Kundmachungsvorschrift erweiternd auszulegen, um die Erfüllung des Gesetzeszweckes sicherzustellen.
Da eine unmittelbare Aufeinanderfolge der beiden Zeichen ihre Lesbarkeit durch den Fahrzeuglenker, vor allem wegen des Textes der Zusatztafel, gefährden könnte, muß angenommen werden, daß zwischen den beiden Zeichen eine Distanz toleriert werden kann, allerdings nur eine solche, bei der die Einheit und Zusammengehörigkeit der beiden Zeichen gewahrt bleibt. Der VfGH ist der Meinung, daß dies bei einem Zeitintervall von 2 bis 3 Sekunden noch zutrifft. Bei einer Geschwindigkeit zwischen 40 km/h und 50 km/h entspricht ein solches Intervall einer Strecke von zirka 25 bis 40 m.
Art. 89 Abs. 3 und {Bundes-Verfassungsgesetz Art 139, Art. 139 Abs. 3 B-VG} sehen nicht den Fall vor, daß eine vom Gericht anzuwendende Verordnung in der Vergangenheit gesetzwidrig war und später gesetzmäßig geworden ist. Wenn aber der Rechtszustand im Zeitpunkt der Entscheidung des VfGH es ausschließt, die Verordnung nach {Bundes-Verfassungsgesetz Art 139, Art. 139 Abs. 2 B-VG} als gesetzwidrig aufzuheben, die Verordnung aber früher gesetzwidrig war, so muß der Fall nach Analogie der Vorschrift über eine bereits außer Kraft getretene Verordnung behandelt werden. Es ist auszusprechen, daß die in Prüfung gezogene Verordnung bis zur Behebung des die Gesetzwidrigkeit bewirkenden Mangels gesetzwidrig war.