JudikaturVfGH

B25/67 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
22. Juni 1967

Die Körperschaftsteuer bezieht sich ebenso wie die Einkommensteuer auf das Einkommen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat (§§ 5 und 20 Körperschaftsteuergesetz, §§ 2 und 25 EStG 1953) . Beide Steuern sind Personensteuern, die das Einkommen des Steuerpflichtigen zu erfassen bestimmt sind. Es ist deshalb sachgerecht, wenn als Einkommen der Gesamtbetrag der der Steuer unterliegenden Einkünfte nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben, normiert wird (§ 2 Abs. 2 EStG 1953) . Dieser Ausgleich erfaßt Gewinne und Verluste desselben Veranlagungszeitraumes und entspricht somit dem Charakter der Steuern als Jahressteuern. Ob der Abzug von Verlusten aus vorangegangenen Zeiträumen in einem späteren Veranlagungsjahr, der sogenannte Verlustvortrag, vom Gesetzgeber zugelassen wird, ist eine Frage, die bei dem Charakter der Körperschaftsteuer und der Einkommensteuer als Jahressteuern nicht am Gleichheitssatz mit dem Maßstab der sachlichen Rechtfertigung gemessen werden kann, sondern ist eine Frage der Rechtspolitik. Allerdings ist dann, wenn der Gesetzgeber einen solchen Verlustvortrag vorsieht, dessen nähere Regelung der Prüfung am Gleichheitssatz zugänglich. Bei dem Charakter der Körperschaftsteuer und der Einkommensteuer als Personensteuern ist es nicht unsachlich, wenn der Verlustvortrag in der Weise geregelt wird, daß der Abzug von Verlusten aus vorangegangenen Zeiträumen nicht bei den Einkunftsarten, mit denen er in wirtschaftlichem Zusammenhang steht, sondern vom Gesamtbetrag der Einkünfte vorgesehen ist. Die Regelung als Sonderausgabe im § 10 Abs. 1 Z 5 EStG 1953 ist somit - von diesem Gesichtspunkt aus - nicht als unsachlich zu erkennen.

Es ist aber auch nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber bei der Regelung des Verlustvortrages zwischen beschränkt und unbeschränkt Körperschaftsteuerpflichtigen unterscheidet, wie er es in § 97 Abs. 1 zweiter Satz EStG 1953 in dessen Anwendungsbereich nach dem KStG (§§ 2 und 6 KStG) getan hat. Die beschränkt Körperschaftsteuerpflichtigen sind nur mit den inländischen Einkünften steuerpflichtig ({Körperschaftsteuergesetz 1966 § 2, § 2 KStG}) , die Durchführung des Verlustvortrages, wie er in § 10 EStG 1953 geregelt ist, besteht aber im Abzug von Verlusten aus vorangegangenen Wirtschaftsjahren vom Gesamtbetrag der Einkünfte. Würde der Abzug solcher Verluste bei beschränkt Steuerpflichtigen von den nur inländischen Einkünften zugelassen sein, so würde sich eine zweifach unterschiedliche Regelung gegenüber den unbeschränkt Steuerpflichtigen ergeben. Einmal kann bei den unbeschränkt Körperschaftsteuerpflichtigen ein Verlustvortrag nur insoweit vorgenommen werden, als die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren entstandenen Verluste nicht bei der Veranlagung ausgeglichen oder abgezogen worden sind (wobei auch ausländische Gewinne zu berücksichtigen waren) , zum anderen muß bei unbeschränkt Steuerpflichtigen der nicht auf diese Weise schon in den vorangegangenen Jahren ausgeglichene oder abgezogene Verlust dem Gesamtbetrag der Einkünfte (einschließlich ausländischer Gewinne) gegenübergestellt werden. Bei beschränkt Steuerpflichtigen, die nur mit den inländischen Einkünften veranlagt werden, würden bei der Veranlagung für die vorangegangenen Wirtschaftsjahre die in diesen Jahren entstandenen Verluste nur in Bezug auf inländische Einkünfte ausgeglichen oder abgezogen werden können (und dabei ausländische Gewinne außer Betracht bleiben) , weiters würde bei Durchführung des Verlustvortrages der nicht auf diese Weise ausgeglichene oder abgezogene Verlust nicht dem Gesamtbetrag der Einkünfte, sondern nur den inländischen Einkünften gegenübergestellt werden (wobei wieder ausländische Gewinne außer Betracht bleiben) . Diese Unterschiede im Tatsächlichen rechtfertigen eine Differenzierung in der Regelung des Verlustvortrages zwischen beschränkt und unbeschränkt Körperschaftsteuerpflichtigen.

Der verfassungsgesetzliche Schutz des Eigentumsrechtes kommt auch ausländischen Staatsbürgern und ausländischen juristischen Personen zu.

Das Eigentumsrecht wird auch verletzt, wenn sich ein in das Eigentum eingreifender Bescheid auf ein verfassungswidriges Gesetz stützt; eine solche Verfassungswidrigkeit kann auch in einer Gleichheitswidrigkeit des Gesetzes bestehen. Obwohl das Recht der Gleichheit vor dem Gesetz nur den österreichischen Staatsbürgern und inländischen juristischen Personen gewährleistet ist, ist also auf das Vorbringen eines Ausländers einzugehen, er sei im Eigentumsrecht verletzt, weil der bekämpfte Bescheid auf einem dem Gleichheitsgebot widersprechenden Gesetz beruhe.

Die Gleichstellung der Angehörigen der beiden Staaten durch den Staatsvertrag mit der Schweiz vom 7. Dezember 1875, RGBl. Nr. 70/1876, bedeutet nicht, daß es im österreichischen Recht zwischen den unbeschränkt Steuerpflichtigen und den beschränkt Steuerpflichtigen keinerlei sachlich verschiedene Regelung geben könne.

Die Vorschriften über die beschränkte und unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 EStG 1953) erfassen in gleicher Weise sowohl österreichische als ausländische Staatsangehörige.

Wird die Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes "als unbegründet abgewiesen" , so ist dieser Ausspruch im Hinblick auf {Bundesabgabenordnung § 289, § 289 BAO} inhaltlich so zu werten, als ob die Berufungsbehörde einen mit dem Bescheid der unteren Instanz im Spruch übereinstimmenden neuen Bescheid erlassen hätte, der fortan an die Stelle dieses Bescheides tritt.

Nach der herrschenden Lehre richtet sich die Staatsangehörigkeit juristischer Personen nach ihrem Sitz. Dabei ist der wirkliche Geschäftssitz und nicht etwa der in der Satzung angegebene maßgebend.

Darnach ist also eine juristische Person dann als österreichische anzusehen, wenn sie ihren wirklichen Geschäftssitz im Inland hat, gleichgültig, ob der satzungsmäßige Sitz im Inland oder im Ausland liegt.

Die Vorschriften des KStG über die unbeschränkte und die beschränkte Steuerpflicht (§§ 1 und 2 KStG) gehen von anderen Unterscheidungsmerkmalen als der Staatsangehörigkeit aus. Die Staatsangehörigkeit ist ohne rechtliche Bedeutung für die Qualifikation eines Steuersubjektes als unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig.

Eine juristische Person ist dann als österreichisch anzusehen, wenn sie ihren wirklichen Geschäftssitz im Inland hat, gleichgültig, ob der satzungsmäßige Sitz im Inland oder im Ausland liegt; eine solche juristische Person ist aber nach § 1 KStG (in Verbindung mit {Bundesabgabenordnung § 27, § 27 BAO}) jedenfalls unbeschränkt steuerpflichtig. Dagegen wäre eine wegen ihres wirklichen Geschäftssitzes im Ausland als ausländisch anzusehende juristische Person dann, wenn sie auch ihren satzungsmäßigen Sitz im Ausland hat, gemäß {Körperschaftsteuergesetz 1966 § 2, § 2 KStG} als beschränkt steuerpflichtig, wenn sie aber ihren satzungsmäßigen Sitz im Inland hat, gemäß {Körperschaftsteuergesetz 1966 § 1, § 1 KStG} als unbeschränkt steuerpflichtig zu qualifizieren.

Die Unterscheidung der unbeschränkten von der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht deckt sich nicht mit der Staatsangehörigkeit der juristischen Person; in dieser Regelung kann also keine Diskriminierung ausländischer juristischer Personen liegen.

Hat die Behörde den § 97 Abs. 1 zweiter Satz EStG 1953 in seinem Anwendungsbereich nach dem KStG seinem Wortlaut entsprechend angewendet, so ist diese Anwendung auch im Hinblick auf die Bestimmungen der Art. 1 und 6 des österreichisch-schweizerischen Staatsvertrages vom 12. Dezember 1875, RGBl. Nr. 70/1876, keineswegs mit Denkunmöglichkeit behaftet und kommt damit keineswegs einem gesetzlosen Verwaltungsakt gleich.

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