JudikaturVfGH

V6/67 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
19. Juni 1967

Dem Antrag, § 306 zweiter Satz der Verordnung des BM für Justiz vom 9. Mai 1951, womit die Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz (Geo.) teilweise geändert und neu verlautbart wird, BGBl. Nr. 264/1951, wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben, wird keine Folge gegeben.

Die Handhabung des {Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz § 306, § 306 zweiter Satz Geo}. fällt in die Sphäre der Gerichtsbarkeit.

Die Tätigkeit der Geschäftsstelle eines Gerichtes und einer Verwahrungsabteilung, soweit sie Hilfsorgane eines Gerichtes (nicht Justizverwaltungsbehörde) sind, gehört zum Vollziehungstypus "Gericht" . Das bedeutet aber selbstverständlich nicht, daß die in diesem Apparat tätigen Personen Richter sind.

Durch § 2 Z 1 des Bundesgesetzes vom 22. April 1948, BGBl. Nr. 110, über Maßnahmen auf dem Gebiete des Gerichtserlagswesens wurde das BM für Justiz ermächtigt, durch Verordnung Bestimmungen über das gerichtliche Erlagswesen i. S. der Gerichtserlagsverordnung, BGBl. Nr. 391/1935, unter Anpassung an die geltenden Gesetze zu erlassen.

Nach § 23 zweiter Satz der Gerichtserlagsverordnung (1935) oblag es dem Gericht, die Kosten der Schätzung zu bestimmen (und hereinzubringen) . Auf Grund der Ermächtigung des § 2 Z 1 von BGBl. Nr. 110/1948 erging vorerst die Gerichtserlagsverordnung, BGBl. Nr. 186/1948, deren § 23 mit jenem der Gerichtserlagsverordnung 1935 wörtlich übereinstimmt, und nunmehr § 306 Geo. mit ebenfalls übereinstimmendem Wortlaut. Der Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung wurde bei der Erlassung des {Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz § 306, § 306 Geo}. eingehalten.

Der Ausdruck "gerichtlicher Auftrag" im {Gebührenanspruchsgesetz 1975 § 19, § 19 Abs. 3 Gebührenanspruchsgesetz}, BGBl. Nr. 179/1965, ist als Auftrag des Richters (Gerichtes) zu verstehen. § 20 spricht von dem Gerichte, vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat oder stattfinden sollte, und § 21 Abs. 1 ordnet an, daß von dem Richter (Vorsitzenden) , vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat oder stattfinden sollte, die Sachverständigengebühr zu bestimmen ist. Es ist kein Anhaltspunkt dafür zu finden, daß nach dem Gebührenanspruchsgesetz Hilfsorgane des Gerichtes einem Sachverständigen Verrichtungen auftragen dürfen. Zu honorieren ist nur die Tätigkeit eines Sachverständigen, die von einem Richter angeordnet wurde.

Auch durch Verordnung kann eine gerichtliche Zuständigkeit festgestellt werden, wenn das Gesetz in einer dem Art. 18 B-VG Rechnung tragenden Weise die der Verordnungsgewalt überlassene Regelung beschreibt und der Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung nicht überschritten wird. In einem solchen Fall ist der Verordnungsinhalt dem Gesetzgeber zuzurechnen und dem {Bundes-Verfassungsgesetz Art 83, Art. 83 Abs. 1 B-VG} ist entsprochen worden.

{Bundes-Verfassungsgesetz Art 89, Art. 89 B-VG} legt jedem Gericht die Verpflichtung auf, bei Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit einer anzuwendenden Verordnung das anhängige Verfahren zu unterbrechen und den Antrag auf Aufhebung dieser Verordnung beim VfGH zu stellen. Die jedem Gerichte von Verfassungs wegen zukommende Verpflichtung kann einer Unterinstanz von der höheren Instanz nicht genommen werden.

Es kann keine Rede davon sein, daß der VfGH an eine Auffassung des Obersten Gerichtshofes über die Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gebunden sein könnte. Hält ein Gericht eine Verordnung für gesetzmäßig, so wird es den VfGH nicht anrufen. Für das Gebiet des Verordnungsprüfungsverfahrens erschöpft sich darin die Überzeugung des Gerichtes von der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung. Eine unterlassene Antragstellung an den VfGH äußert nach keiner Richtung irgendeine Bindungswirkung.

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