JudikaturVfGH

G22/66 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
10. Dezember 1966

Folgende Stellen des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1966, BGBl. Nr. 87, betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1966, werden als verfassungswidrig aufgehoben: Art. II Abs. 4, Art. III Abs. 5 Z 2, 4, 5 und 6, Art. VI Z 1 und 3 sowie die im Art. IX Abs. 2 enthaltenen Worte "oder Schenkung" .

Im übrigen wird dem Antrag keine Folge gegeben.

Der {Bundes-Verfassungsgesetz Art 51, Art. 51 B-VG} sieht eine andere Form der Bewilligung der Ausgaben als in Form von Krediten, d. i. durch ziffernmäßige Festsetzung der einzelnen Ausgabenbeträge, nicht vor. Die Verfassung schreibt also selbst vor, daß die Ausgaben ausschließlich in Form von Krediten zu bewilligen sind. Ein Kredit kann seinem Wesen nach nur in einem ziffernmäßig bestimmten (oder ziffernmäßig auf Grund des Budgets errechenbaren) Geldbetrag bestehen. Diese Sonderregelung des B-VG verbietet es, zu dem Schluß zu kommen, es sei, weil der Nationalrat im Rahmen seiner Hauptaufgabe als Gesetzgeber befugt ist, der Vollziehung einen gewissen Spielraum einzuräumen, dies umsomehr im Rahmen des Bundesvoranschlages zulässig, da damit der Nationalrat nur an der Vollziehung mitwirke. Wenn der Bundesfinanzgesetzgeber einen Kredit flexibel gestalten will, indem er etwa für eine bestimmte Ausgabenart einen zusätzlichen Kredit bewilligen will, der unter bestimmten Voraussetzungen in Anspruch genommen werden kann, so muß auch dieser zusätzliche Betrag ziffernmäßig festgesetzt werden oder doch unmittelbar oder mittelbar auf Grund des Bundesvoranschlages ziffernmäßig errechenbar sein.

Die Erteilung von Ermächtigungen an die Vollziehung durch das Bundesfinanzgesetz ist zulässig, wenn das Verhalten der Vollziehung dem Art. 18 Abs. 1 B-VG entsprechend durch das BFG vorherbestimmt wird und wenn die ziffernmäßige Bestimmtheit bzw. die Errechenbarkeit der Ziffern des Kredites dadurch nicht beeinträchtigt wird. Es müssen z. B. die Voraussetzungen, unter denen ein zusätzlicher Kredit in Anspruch genommen werden darf, im BFG dem {Bundes-Verfassungsgesetz Art 18, Art. 18 Abs. 1 B-VG} entsprechend determiniert sein; außerdem muß die Höhe des zusätzlichen Kredites - wie oben bereits umschrieben - im Budget ziffernmäßig bestimmt oder auf Grund des Budgets ziffernmäßig errechenbar sein.

Durch bloße Ressort-Kredite werden die Ausgaben nicht ihrer Art nach dem Wesen des Budgets entsprechend ausreichend spezialisiert (vgl. Erk. Slg. 4340/1962, in dem ausgeführt ist, daß der Bundesvoranschlag eine Spezialisierung der Ausgaben mindestens hinsichtlich ihrer Art vorzunehmen hat) . Ein Bundesvoranschlag, der bloß in globale Ressort-Kredite gegliedert ist, könnte nicht als Voranschlag i. S. des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 51, Art. 51 B-VG} angesehen werden.

Die Angelegenheiten der budgetmäßigen Verrechnung fallen in das Ressort des BM für Finanzen.

Ist Voraussetzung der Inanspruchnahme einer Ermächtigung zu einer ziffernmäßig begrenzten Kreditüberschreitung eine Kreditaufnahme in entsprechender Höhe und ist der zur Überschreitung ermächtigte BM berechtigt, von der Ermächtigung Gebrauch zu machen, sobald diese Voraussetzung zutrifft, so bestehen gegen die Regelung keine Bedenken, die Verfassungswidrigkeit könnte dann lediglich in der Vorschrift über die Kreditaufnahme liegen.

Zum Wesen des Bundesvoranschlages i. S. der Verfassung gehört u. a. eine Spezialisierung der Ausgaben nach Personalaufwand einerseits und anderem Aufwand andererseits. Aus {Bundes-Verfassungsgesetz Art 51, Art. 51 Abs. 3 B-VG} ergibt sich nämlich zunächst, daß mit dem Bundesvoranschlag als dessen Bestandteil auch der Dienstpostenplan festgesetzt werden muß. Dies hat wieder zur Folge - der Zweck der Regelung erfordert dies -, daß auch die Personalaufwandskredite speziell auszuwerfen sind.

Finanzgesetzliche Ansätze, die untrennbar - weil nicht auf Grund des Budgets getrennt errechenbar - Personalaufwandsbeträge mit sonstigen Aufwandsbeträgen vermischt enthalten, sind daher verfassungswidrig.

Ermächtigen also Kredite zu Ausgaben, die ihrer Art nach zum Personalaufwand oder zu einem anderen Aufwand zählen, ohne daß es möglich ist, die Beträge für die verschiedenen Arten auf Grund des Voranschlages zu errechnen, so ist die Ermächtigung verfassungswidrig.

Der Bundesfinanzgesetzgeber darf die Höhe der Ausgaben, auch soweit sie auf gesetzlichen Verpflichtungen beruhen, nur in Form von Krediten festsetzen, die ihrem Wesen nach in ziffernmäßig bestimmten oder auf Grund des Voranschlages ziffernmäßig bestimmbaren Beträgen bestehen müssen. Der Bundesfinanzgeber darf also auch auf gesetzlichen Verpflichtungen beruhende Ausgaben nicht etwa durch eine Bestimmung des Inhaltes umschreiben, daß sie in der Höhe bewilligt werden, die sich aus den gesetzlichen Verpflichtungen ergibt.

Eine Vorschrift, die wohl festlegt, daß Rückstellungen in erster Linie bei den Ausgabenansätzen des Ermessens erfolgen sollen, im übrigen aber durch das Gesetz ungeregelt bleibt, welche Ausgabenansätze für die Rückstellung im einzelnen heranzuziehen sind und in welchem Ausmaß der einzelne Ansatz heranzuziehen ist, widerspricht dem {Bundes-Verfassungsgesetz Art 18, Art. 18 Abs. 1 B-VG}.

Eine Bestimmung, gemäß der der BM für Finanzen ermächtigt wird, "Überschreitungen von Ausgabenansätzen bis zum Betrage von 50.000 S zu genehmigen, sofern die Bedeckung sichergestellt ist" , regelt nicht, für welche Ansätze die Überschreitung zulässig ist, wenn für eine Mehrzahl von Ansätzen eine Überschreitung erforderlich ist, eine Bedeckung aber nur für einen Teil sichergestellt werden kann. Das Verhalten der Vollziehung wird also nicht dem {Bundes-Verfassungsgesetz Art 18, Art. 18 Abs. 1 B-VG} entsprechend vorherbestimmt.

Der Bundesfinanzgesetzgeber darf keine über ein Finanzjahr hinausgehende Bundesvoranschlagsregelung treffen.

Enthält eine Ermächtigung zur Aufnahme von Anleihen, Darlehen und sonstigen Krediten überhaupt keine Regelung der Bedingungen, zu denen die Kreditoperation vorgenommen werden sollen - bleibt also z. B. u. a. sowohl der Zinsfuß als auch die Laufzeit und die Währung unbestimmt - so widerspricht die Ermächtigung dem {Bundes-Verfassungsgesetz Art 18, Art. 18 Abs. 1 B-VG}.

Eine im BFG ausgesprochene Ermächtigung "Verpflichtungen des Bundes aus Anleihen, Darlehensverträgen und sonstigen Kreditoperationen nach Maßgabe der wirtschaftlichen und finanzpolitischen Erfordernisse zu prolongieren oder zu konvertieren, insoweit sich dadurch der Stand der Finanzschulden des Bundes nicht ändert" entspricht nicht dem Art. 18 Abs. 1 B-VG. In dem aus Art. 126 b B-VG ableitbaren Gebot der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit ist nämlich keine dem Art. 18 Abs. 1 B-VG entsprechend ausreichende Bindung hinsichtlich der Bedingungen, unter denen eine Prolongierung oder Konvertierung zu vereinbaren ist, enthalten. Welche Bedingungen insgesamt für den Bund vorteilhafter sind als die bisherigen, ist eine Frage der Wirtschaftspolitik, die vom Bundesfinanzgesetzgeber dem Art. 18 Abs. 1 B-VG entsprechend zu beantworten ist. Je nach den wirtschaftspolitischen Meinungen, deren es eine Vielfalt gibt, wird die Frage nämlich verschieden zu beantworten sein. Die Lösung dieser Fragen zählt zu den wesentlichen Merkmalen der Regelung. Die wesentlichen Merkmale müssen aber gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 18, Art. 18 Abs. 1 B-VG} durch den Gesetzgeber bestimmt werden, es darf der Vollziehung diesbezüglich keine Freiheit eingeräumt werden.

Eine Ermächtigung für den BM für Finanzen zur Veräußerung und Belastung von Bundesvermögen, die dadurch bestimmt ist, daß sie auf unbewegliches Vermögen eingeschränkt ist, das Geschäft, soweit es sich um die Veräußerung handelt, seiner Art nach bezeichnet ist (Tausch, Kauf) , der Schätzwert der Belastung bzw. der Schätzwert des einzelnen Gegenstandes nicht über dem Betrag von 2,5 Millionen Schilling liegen darf, jedoch über dem Betrag von 50.000 S liegt, das Geschäft nur getätigt werden darf, wenn die Veräußerung oder Belastung für bestimmte, im Gesetz taxativ aufgezählte Zwecke geboten ist oder notwendig ist, um Kosten oder unvertretbare Verwaltungstätigkeit zu ersparen, das Entgelt nicht unter dem Verkehrswert liegen darf, widerspricht nicht dem {Bundes-Verfassungsgesetz Art 18, Art. 18 B-VG}.

Im Hinblick auf den verhältnismäßig geringfügigen Schätzwertbetrag gilt dies auch in bezug auf den Verkauf, den Tausch und die Belastung, wenn der Schätzwert nicht über 50.000 S liegt, die Bestimmung gemäß lit. d jedoch nicht gilt. In diesem Zusammenhang kann dafür das aus Art. 126 b B-VG ableitbare Gebot zur sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Vermögensgebarung als ausreichende Richtlinie angesehen werden.

Die vorstehenden Ausführungen gelten aber nicht für eine ansonsten genau so bestimmte Veräußerung durch Schenkung. Es entfällt nämlich diesfalls die Vorschrift gemäß lit. e. Unter welchen Voraussetzungen der BM für Finanzen Vermögen ohne Entgelt veräußern (also verschenken) darf - anders als in den vorher behandelten Fällen handelt es sich hier nicht um eine bloße Vermögensumschichtung -, ist diesfalls im Gesetz nicht geregelt. In dieser Beziehung ist das Verhalten der Vollziehung durch das Gesetz nicht vorherbestimmt.

Es ist vor allem die Vollzugsklausel eines Gesetzes, die durch die ausdrückliche Bezeichnung der mit der Vollziehung des Gesetzes betrauten Ressorts die i. S. des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 47, Art. 47 Abs. 3 B-VG} "zuständigen" BM bindend festsetzt. Auf den übrigen Gesetzesinhalt kommt es in diesem Fall demnach nicht an. Allein die in der Vollzugsklausel bezeichneten BM haben also die Beurkundung durch den Bundespräsidenten zusammen mit dem Bundeskanzler gegenzuzeichnen.

Daraus ergibt sich, daß BM, die in der Vollzugsklausel nicht genannt werden, auch nicht zu den i. S. des Art. 47 Abs. 3 B-VG zuständigen BM gehören. Enthält das Gesetz keine Vollzugsklausel und auch keine ihr gleichzuwertende Bestimmung, dann ist allerdings auf den gesamten Gesetzesinhalt zurückzugreifen und darnach festzustellen, welche BM zur Gegenzeichnung gemäß Art. 47 B-VG verpflichtet sind. Diese Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf die Festlegung der Zuständigkeit i. S. des Art. 47 Abs. 3 B-VG durch die Vollzugsklausel. Die Frage nach der Wirkung der Vollzugsklausel in bezug auf sonstige Zuständigkeiten wird dadurch nicht berührt. Im Erk. Slg. 3386/1958 ist ausgeführt worden, die Beurkundung sei von den "nach dem Inhalt des Gesetzes zu dessen Vollziehung berufenen BM " gegenzuzeichnen. Davon ausgehend ist zu beachten, daß es vor allem die sogenannte Vollzugsklausel eines Gesetzes - sie bildet einen Teil des Gesetzesinhaltes - ist, die durch die ausdrückliche Bezeichnung der mit der Vollziehung des Gesetzes betrauten Ressorts die i. S. des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 47, Art. 47 Abs. 3 B-VG} "zuständigen" BM bindend festsetzt.

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