JudikaturVfGH

B275/66 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
25. November 1966

Die Erteilung der Bewilligung zur Benutzung der Bundesstraßen für andere Zwecke als für Zwecke des Gemeingebrauches ist eine Verwaltungsangelegenheit, die in Vollziehung des Bundesstraßengesetzes im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung besorgt wird.

Die allgemeine Behauptung, daß Gemeingebrauch und Sondernutzung in einem unlösbaren Zusammenhang stehen und es darum unmöglich sei, den Gemeingebrauch als ein öffentlichrechtliches und die Sondernutzung als privatrechtliches Phänomen darzustellen, steht mit dem positiven Recht nicht im Einklang. Der Gemeingebrauch, der eine Sache belastet, schließt das Privateigentum an der Sache nicht aus ({Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 290, § 290 ABGB}) .

Es sind daher privatrechtliche Verfügungen über die Sache zulässig, doch ist hiebei die Widmung der Sache zum Gemeingebrauch zu beachten, der weder gänzlich ausgeschlossen noch auch nur behindert werden darf. Überschreitet eine privatrechtliche Sondernutzung die durch den Gemeingebrauch gesetzte Grenze, so ist es Aufgabe der zuständigen Verwaltungsbehörde, den gestörten Gemeingebrauch wieder herzustellen.

Die grammatikalische Auslegung des § 21 des BStG ergibt nicht die Behördeneigenschaft der Bundesstraßenverwaltung, denn der Ausdruck "Bewilligung" wird auch im Privatrecht gebraucht (z. B. {Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 434, § 434 ABGB}: Bewilligung der Einverleibung) . Das BStG unterscheidet zwischen den Bundesstraßenbehörden (§ 28 Abs. 1) und der Bundesstraßenverwaltung. Diese Gegenüberstellung ist nur dann sinnvoll, wenn den Bundesstraßenbehörden die behördlichen Aufgaben in Vollziehung des BStG, der Bundesstraßenverwaltung hingegen die Aufgaben im Bereiche der Privatwirtschaftsverwaltung obliegen. Der Umstand, daß die Bundesstraßenverwaltung im § 21 des BStG berufen wird, die Bewilligung zu erteilen, schließt die hoheitliche Natur dieser Bewilligung aus.

Eine Angelegenheit ist im Zweifel privatwirtschaftlich und nicht hoheitlich. Diese Auffassung bringt das für einen Rechtsstaat geradezu Selbstverständliche zum Ausdruck, daß das Verhältnis von Überordnung und Unterordnung (Befehlsgewalt und Gehorsamspflicht) nur vom Gesetz geschaffen werden kann.

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