JudikaturVfGH

B250/66 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
10. Oktober 1966

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die §§ 83 und 84 Allgemeine Gemeindeordnung im Hinblick auf Art. 118 und 119 a B-VG.

Der VfGH hat keine Möglichkeit, den Inhalt eines Verfassungsgesetzes des Bundes in bezug auf das Rechtsstaatsprinzip zu prüfen.

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die §§ 11 und 12 des Gemeindewasserversorgungsgesetzes 1962, LGBl. Nr. 155. Denkmögliche Anwendung dieser Gesetzesstellen.

Weder im GWG 1962, Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung der Krnt. Landesregierung, LGBl. Nr. 155/1962 (GWG) , noch in einem anderen Gesetz ist die Einhebung des Wasserversorgungsbeitrages dem {Bundes-Verfassungsgesetz Art 118, Art. 118 Abs. 2 zweiter Satz B-VG} entsprechend ausdrücklich als eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches bezeichnet. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, daß die Angelegenheit nicht zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gehört, zumal gemäß § 5 Abs. 3 der B-VG- Novelle 1962, BGBl. Nr. 205/1962, - Art. 118 B-VG hat durch diese Novelle die hier maßgebliche Fassung erhalten - die zur Anpassung der die verschiedenen Gebiete der Verwaltung regelnden Rechtsvorschriften an Art. 118 Abs. 2 und 3 erforderlichen Gesetze erst bis spätestens 31. Dezember 1968 zu erlassen sind und die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der B-VG-Novelle 1962 - d. i. am 21. Juli 1962 - bestehenden Gesetze (das GWG gehört dazu) daher, soweit sie der Verfassungsvorschrift des Art. 118 Abs. 2 und 3 B-VG nicht entsprechen sollten, diesbezüglich bis zum 31. Dezember 1968 unangreifbar bleiben. Bis dahin ist die Frage, ob die Einhebung des Wasserversorgungsbeitrages gemäß dem GWG eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches ist, ausschließlich dadurch zu beantworten, daß das rechtliche Wesen des Beitrages, soweit es im Zusammenhang erheblich ist, am ersten - nicht auch am zweiten - Satz des Abs. 2 sowie am Abs. 3 des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 118, Art. 118 B-VG} und an den darauf beruhenden Bestimmungen des § 10 Abs. 1 und 2 der AGO gemessen wird.

Gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 118, Art. 118 Abs. 2 erster Satz B-VG} (§ 10 Abs. 1 erster Satz AGO) fällt es unter anderem in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden, im "Rahmen der Finanzverfassung ... Abgaben auszuschreiben" (Art. 116 Abs. 2 B-VG, § 1 Abs. 2 AGO) . Die Regelung des {Finanz-Verfassungsgesetz 1948 § 7, § 7 Abs. 5 F-VG 1948} ermächtigt den Bundesgesetzgeber, die des § 8 Abs. 5 F-VG 1948 den Landesgesetzgeber, den Gemeinden das sogenannte "freie Beschlußrecht" zur Ausschreibung bzw. Erhebung von Abgaben zu gewähren. Im Rahmen des freien Beschlußrechtes können die Gemeinden durch sogenannte selbständige Verordnungen Steuerquellen erschließen und sie können sie nutzen. Innerhalb der Grenzen dieses Beschlußrechtes sind die Gemeinden an keine Weisungen gebunden, sie sind insoweit autonom. Schon unter der Herrschaft der Regelung des {Übergangsgesetz § 8, § 8 Abs. 5 ÜG 1920} in Verbindung mit Art. V des Reichsgemeindegesetzes gehörte das umschriebene freie Beschlußrecht der Gemeinden zum selbständigen Wirkungskreis der Gemeinden. Die Regelung des Art. 118 Abs. 2 (Art. 116 Abs. 2) B-VG hat den Bereich der Gemeindeautonomie diesbezüglich nicht verändert. Vom freien Beschlußrecht Gebrauch zu machen, heißt also i. S. des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 116, Art. 116 Abs. 2 B-VG} (§ 1 Abs. 2 AGO) "Abgaben auszuschreiben" . Die Angelegenheit fällt somit in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 118, Art. 118 Abs. 2 B-VG}.

Die Gemeinden, die eine Wasserversorgungsanlage errichten und betreiben, sind durch § 10 GWG auf Grund des {Finanz-Verfassungsgesetz 1948 § 8, § 8 Abs. 5 F-VG 1948} ermächtigt worden, den Wasserversorgungsbeitrag einzuheben (d. i. " auszuschreiben" i. S. des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 116, Art. 116 Abs. 2 B-VG}, § 1 Abs. 2 AGO) .

Es ist ihnen also diesbezüglich ein freies Beschlußrecht der oben dargestellten Art verliehen worden. Es steht der einzelnen Gemeinde frei, den Wasserversorgungsbeitrag einzuheben oder nicht. Da die dem § 10 GWG folgenden, den Wasserversorgungsbeitrag betreffenden Regelungen des GWG mit dem im § 10 GWG verankerten freien Beschlußrecht untrennbar verbunden sind, ist die Einhebung des Beitrages gemäß den §§ 10 bis 15 GWG überhaupt eine Angelegenheit, die in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden fällt.

Der Wasserversorgungsbeitrag wird im Bereich der Vollziehung des Landes eingehoben.

Rückverweise