JudikaturVfGH

B136/66 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
27. September 1966

Durch die Ablehnung eines Antrages auf Nachsicht von Abgaben aus Billigkeitsgründen ({Bundesabgabenordnung § 236, § 236 Abs. 1 BAO}) kann niemals in ein dem Antragsteller zustehendes Privatrecht eingegriffen werden. Die Nachsicht ist nämlich eine Maßnahme des öffentlichen Rechtes. Durch den die Nachsicht ablehnenden Bescheid wird also der Antragsteller nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

Hat die Behörde vermeint, daß die Einhebung der Abgabe nach der Lage des besonderen Falles unbillig ist, und dem gemäß {Bundesabgabenordnung § 236, § 236 BAO} gestellten Antrag auf nachsichtsweise Abschreibung der Abgabenschuldigkeit keine Folge gegeben, so hat sie eine rechtlich gebundene Entscheidung gefällt, weil der Umstand, daß die Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre, eine Voraussetzung der Nachsicht ist.

Gegen die in {Bundesabgabenordnung § 236, § 236 Abs. 1 BAO} enthaltenen Worte "wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre" sind Bedenken in der Richtung, daß dadurch die Voraussetzung für die Nachsichtserteilung nicht dem {Bundes-Verfassungsgesetz Art 18, Art. 18 B-VG} entsprechend ausreichend determiniert wäre, nicht entstanden. Der VfGH hat nämlich bereits in seinem Erk. Slg. 4293/1962 ausgeführt, daß dem Wort "Billigkeit" im Hinblick auf die bestehenden gesellschaftlichen Auffassungen ein konkreter Begriffsinhalt beigemessen werden kann. Der VfGH ist der Meinung, daß die damalige Feststellung betreffend den Begriff "Billigkeit" , an der festgehalten wird, auch auf das Wort "unbillig" angewendet werden muß.

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