JudikaturVfGH

B118/65 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
13. Oktober 1965

Das Gesetz darf nicht dahingehend gedeutet werden, daß die Gutachten gemäß § 26 das Gesetz authentisch zu interpretieren hätten. Dies würde dem {Bundes-Verfassungsgesetz Art 18, Art. 18 B-VG} widersprechen.

Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des Gutachtens der Bundesentschädigungskommission vom 17. April 1964, BEK-V 362/64, verlautbart im Amtsblatt der Österreichischen Finanzverwaltung, Jahrgang 1964, 21. Stück, Nr. 114 (ausgegeben am 29. Mai 1964) , sind nicht entstanden.

Die Bundesentschädigungskommission ist selbst dann Verwaltungsbehörde, wenn sie in der Zusammensetzung gemäß § 26 Abs. 1 des Besatzungsschädengesetzes tätig wird (der Senat besteht in diesem Fall nur aus Mitgliedern, die Richter sind) . Es ist also eine Verwaltungsbehörde, die die im § 26 des BesatzungsschädenG genannten Verordnungen (sie werden dort als Gutachten bezeichnet) erläßt. Bedenken, daß § 26 leg. cit. dem {Bundes-Verfassungsgesetz Art 133, Art. 133 Z 4 B-VG} oder dem {Bundes-Verfassungsgesetz Art 18, Art. 18 Abs. 2 B-VG} oder dem {Bundes-Verfassungsgesetz Art 94, Art. 94 B-VG} widerspricht, sind nicht entstanden. Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, daß § 26 des BesatzungsschädenG es dem Vorsitzenden ermöglicht, die Auswahl der Mitglieder des Senates gemäß § 26 Abs. 1 leg. cit. aus den überhaupt zur Verfügung stehenden, dem Richterstand angehörenden Mitgliedern der Kommission zu treffen.

Art. 133 Z 4 B-VG gebietet lediglich, daß sich unter den Mitgliedern des Kollegiums mindestens ein Richter befindet; er gebietet nicht, daß auch mindestens ein Nichtrichter dem Kollegium angehören muß. Aus der Bundesverfassung ergibt sich nicht, daß Richter, die einer Kollegialbehörde i. S. des Art. 133 Z 4 B-VG angehören, diese Funktion als richterliches Amt (Art. 87 B-VG) ausüben. Ihre Unabhängigkeit erfließt nicht aus {Bundes-Verfassungsgesetz Art 87, Art. 87 B-VG}, sondern aus dem die Behörde einrichtenden Gesetz im Zusammenhang mit {Bundes-Verfassungsgesetz Art 133, Art. 133 Z 4 B-VG}.

Die Mitglieder der Behörden gemäß Art. 133 Z 4 B-VG sind zwar unabhängig von Weisungen, nicht aber kraft der Verfassung unabsetzbar; dies gilt auch für die Richter, die einer solchen Behörde angehören. Es gibt für die Verwaltungsbehörden i. S. des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 133, Art. 133 Z 4 B-VG} keine Verfassungsvorschrift ähnlich der des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 87, Art. 87 B-VG} über die Geschäftsverteilung. Die Verfassung enthält nämlich eine solche Vorschrift weder ausdrücklich, noch kann dem Art. 133 Z 4 B-VG ein solcher Inhalt im Wege der Auslegung beigemessen werden.

Das vor allem deshalb nicht, weil angenommen werden muß, daß der Verfassungsgeber, hätte er auch für die Behörden nach Art. 133 Z 4 B-VG die feste Geschäftsverteilung vorschreiben wollen, dies in ähnlicher Weise getan hätte, wie er es im {Bundes-Verfassungsgesetz Art 87, Art. 87 B-VG} für die Gerichte getan hat. Art. 133 Z 4 B-VG überläßt die Einrichtung der in Rede stehenden Behörden ohne diesbezügliche Einschränkung dem einfachen Gesetzgeber. Die Verfassung läßt es somit auch zu, daß der eine kollegiale Verwaltungsbehörde i. S. des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 133, Art. 133 Z 4 B-VG} einrichtende einfache Gesetzgeber bestimmt, die Mitglieder der einzelnen Senate seien jeweils dem Kader der der Behörde überhaupt angehörenden Mitglieder, soweit sie über die im Einzelfall etwa erforderliche Qualifikation verfügen, zu entnehmen.

Aus keiner Bestimmung der Bundesverfassung ergibt sich, daß Verwaltungsbehörden, die gemäß Art. 133 Z 4 B-VG eingerichtet sind, im Hinblick auf das Recht, Verordnungen zu erlassen ({Bundes-Verfassungsgesetz Art 18, Art. 18 Abs. 2 B-VG}) , oder im Hinblick auf ihre Weisungsfreiheit ({Bundes-Verfassungsgesetz Art 133, Art. 133 Z 4 B-VG}) bei der Erlassung von Verordnungen Einschränkungen unterworfen sind oder durch den sie einrichtenden Gesetzgeber zu unterwerfen sind.

Siehe auch Slg. 5097/1965.

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