B337/63 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Nach dem dritten Satze des § 7 Z 6 Gewerbesteuergesetz 1953 ist eine Person an einem Unternehmen wesentlich beteiligt, wenn sie zu mehr als einem Viertel beteiligt ist. Der VfGH hält diese Regelung aus den folgenden Erwägungen für sachlich gerechtfertigt: An einer Aktiengesellschaft ist wesentlich beteiligt, wer mehr als ein Viertel aller Aktien besitzt. Nach diesem Anteil am Grundkapital bestimmt sich auch das Ausmaß der Mitgliedschaftsrechte. Ein Mitgliedschaftsrecht im Ausmaß von mehr als einem Viertel macht die anderen Mitgliedschaftsrechte in allen Fällen wirkungslos, in denen das Aktiengesetz für einen Beschluß der Hauptversammlung eine qualifizierte Mehrheit von mindestens drei Vierteln des Grundkapitals erfordert. Das ist insbesondere der Fall bei der Nachgründung ({Aktiengesetz 1965 § 45, § 45 Abs. 4 AktG}) , bei jeder Satzungsänderung ({Aktiengesetz 1965 § 146, § 146 Abs. 1 AktG}) , bei der Erhöhung des Grundkapitals durch Ausgabe neuer Aktien ({Aktiengesetz 1965 § 149, § 149 Abs. 1 AktG}) , beim Ausschluß des Bezugsrechtes ({Aktiengesetz 1965 § 153, § 153 Abs. 3 AktG} , bei bedingten Kapitalerhöhungen ({Aktiengesetz 1965 § 160, § 160 Abs. 1 AktG}) , bei der Kapitalsgenehmigung ({Aktiengesetz 1965 § 169, § 169 Abs. 2 AktG}) , bei der Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen oder von Gewinnschuldverschreibungen ( {Aktiengesetz 1965 § 174, § 174 Abs. 1 AktG}) , bei der ordentlichen Kapitalherabsetzung ({Aktiengesetz 1965 § 175, § 175 Abs. 1 AktG}) , bei der vereinfachten Kapitalherabsetzung ({Aktiengesetz 1965 § 182, § 182 Abs. 2 AktG}) , bei der Auflösung einer Aktiengesellschaft durch Beschluß der Hauptversammlung (§ 203 Abs. 1 Z. 2 AktG) , bei der Fortsetzung einer aufgelösten Aktiengesellschaft ({Aktiengesetz 1965 § 215, § 215 Abs. 1 AktG} , bei der Verschmelzung durch Aufnahme ({Aktiengesetz 1965 § 234, § 234 Abs. 2 AktG}) , bei der Verschmelzung durch Neubildung ({Aktiengesetz 1965 § 247, § 247 Abs. 1 AktG}) bei der Verstaatlichung ({Aktiengesetz 1965 § 253, § 253 Abs. 2 AktG}) , bei der Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien ({Aktiengesetz 1965 § 257, § 257 Abs. 2 AktG}) , bei der Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ({Aktiengesetz 1965 § 263, § 263 Abs. 2 AktG}) . An einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist wesentlich beteiligt, wer an dem Stammkapital der Gesellschaft zu mehr als einem Viertel beteiligt ist. Nach dieser Beteiligung am Stammkapital - den Stammeinlagen - bestimmt sich der Geschäftsanteil ({4. Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch § 75, § 75 Abs. 1 GmbHG} . Mit ihm sind die Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter verbunden, zu denen das Stimmrecht gehört. Dieses ist nach Stammeinlagen festgesetzt ({4. Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch § 39, § 39 Abs. 2 GmbHG}) . Für gewisse Beschlüsse der Generalversammlung ist eine qualifizierte Mehrheit von drei Vierteilen der abgegebenen Stimmen erforderlich, so insbesondere für den Widerruf der Bestellung zum Mitgliede des Aufsichtsrates ( {4. Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch § 30, § 30 Abs. 4 GmbHG}) , für einen Beschluß nach {4. Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch § 35, § 35 Abs. 1 Z 7 GmbHG}, für Abänderungen des Gesellschaftsvertrages ({4. Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch § 50, § 50 Abs. 1 GmbHG}) , für die Erhöhung des Stammkapitals ({4. Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch § 52, § 52 GmbHG}) , für die Herabsetzung des Stammkapitals ({4. Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch § 54, § 54 GmbHG}) . Diese einer Beteiligung von mehr als einem Viertel des Grundkapitals bzw. des Stammkapitals gewährten Rechte, die das Schicksal der Kapitalgesellschaft bestimmend beeinflussen können, geben der Regelung des dritten Satzes des § 7 Z 6 GewStG 1953 eine wohlbegründete, sachliche Rechtfertigung. Zu den oben aufgezählten, einer Beteiligung am Grundkapital einer Aktiengesellschaft oder am Stammkapital einer GmbH im Ausmaß von mehr als einem Viertel gewährten Rechten kommen die diesen Gesellschaftern zustehenden Minderheitsrechte, die bei der Aktiengesellschaft einer Beteiligung von fünf Prozent des Grundkapitals (§§ 106 Abs. 2, 122 Abs. 1, 206 Abs. 2 AktG; § 24 Abs. 2 Schillingeröffnungsbilanzengesetz, BGBl. Nr. 190/1954) ; von zehn Prozent des Grundkapitals (§§ 88 Abs. 4, 118 Abs. 2 und 3, 122 Abs. 1, 125 Abs. 7, 136 Abs. 2 AktG) ; und von zwanzig Prozent des Grundkapitals (§§ 43, 84 Abs. 4 AktG) gewährt werden; bei der GmbH einer Beteiligung von 10 Prozent des Stammkapitals (§§ 37, 38 Abs. 3, 45 Abs. 1, 48 Abs. 1, 89 Abs. 2 GmbHG) zustehen. Die Gesamtheit aller dieser Rechte, die den mit mehr als einem Viertel am Grundkapital einer Aktiengesellschaft oder am Stammkapital einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung beteiligten Gesellschaftern gewährleistet sind, haben dem Gesetzgeber eine genügende sachliche Rechtfertigung für die gewerbesteuerliche Annäherung der personenbezogenen Kapitalgesellschaften an die Personengesellschaften geboten. Diese Auffassung kann auch durch folgende Einwendungen nicht widerlegt werden: Nach § 6 GewStG ist Gewerbeertrag - eine der Besteuerungsgrundlagen für die Gewerbesteuer - der Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der - bei den der Körperschaftssteuer unterliegenden Gesellschaften - nach § 6 Abs. 2 GewStG mit dem Einkommen i. S. des § 6 Körperschaftssteuergesetz gleichzusetzen ist. Hiebei sind auch verdeckte Gewinnausschüttungen zu berücksichtigen ({Körperschaftsteuergesetz 1966 § 6, § 6 zweiter Satz KStG}) . Nach {Körperschaftsteuergesetz 1966 § 17, § 17 Abs. 1 Z 3 KStG} werden Vergütungen jeder Art, die an Mitglieder des Vorstandes oder an andere Angestellte in leitender Stellung für ihre Tätigkeit gewährt werden, als Mindesteinkommen der Besteuerung zugrundegelegt, soweit die Vergütungen außer Verhältnis zu ihrer Arbeitsleistung stehen. Aus diesen Vorschriften wird gefolgert, daß die Steuerbehörden der Festsetzung unangemessen hoher Vergütungen mit Erfolg entgegentreten könnten, weshalb für die Hinzurechnungsvorschrift des § 7 Z 6 GewStG keine sachliche Rechtfertigung bestehe. Hierüber hat der VfGH erwogen: Mit den angeführten Vorschriften wird festgelegt, daß verdeckte Gewinnausschüttungen - also insbesondere auch unangemessen hohe Vergütungen - bei allen der Körperschaftssteuer unterliegenden Gesellschaften, ohne Rücksicht auf das Ausmaß der Beteiligung einzelner Gesellschafter - in die Bemessung der Gewerbesteuer einbezogen werden. Hiedurch wird jedoch der Gesetzgeber nicht daran gehindert, die personenbezogenen Kapitalgesellschaften den Personengesellschaften wenn auch nicht steuerlich anzugleichen, so doch dadurch steuerlich anzunähern, daß auch angemessene Vergütungen von an einer Kapitalgesellschaft wesentlich Beteiligten - durch Hinzurechnung - der GewSt unterworfen werden. Dies bedeutet deshalb eine steuerliche Annäherung an die Personengesellschaften, weil nach § 15 Abs. 1 Z. 2 EStG auch von Gesellschaftern einer Personengesellschaft bezogene angemessene Vergütungen für eine Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb und damit auf dem Wege über {Einkommensteuergesetz 1988 § 2, § 2 Abs. 4 Z 1 EStG}, §§ 4 ff. EStG einerseits und § 6 Abs. 2 GewStG anderseits zum Gewerbeertrag gehören, der nach § 5 Abs. 1 GewStG zu den Besteuerungsgrundlagen für die Gewerbesteuer zählt. Aus diesen Gründen hält der VfGH weiterhin an seiner Auffassung fest, daß gegen die Vorschrift des § 7 Z 6 GewStG 1953 - am Gleichheitsgrundsatz gemessen - daher insoweit keine Bedenken bestehen, als sie die Hinzurechnung der Vergütung einer im Betrieb beschäftigten Person anordnet, deren eigene Beteiligung mehr als ein Viertel beträgt.
Der Verfassungsgesetzgeber schließt ein vom Gesetzgeber gewähltes rechtliches Ordnungssystem als Maßstab für die Sachlichkeit einer Ausnahmeregelung aus. Eine verschiedene Beurteilung von Fällen, die einem rechtlichen Ordnungssystem folgen, und von Fällen, die einem solchen System nicht folgen, lehnt der VfGH ab. Das Bundesverfassungsgericht dagegen mißt die Sachlichkeit der Hinzurechnungsvorschrift daran, ob und in welchem Grade sie der Ordnungsstruktur des privaten Rechtes widerspricht. Dem Bundesverfassungsgericht dient das Ordnungssystem als Maßstab für die Sachlichkeit der Regelung von Fällen, die einem solchen System unterliegen, woraus sich ergibt, daß Fälle, die nicht einem Ordnungssystem zugewiesen sind, an anderen Maßstäben gemessen werden müssen. Die grundsätzlichen Erwägungen des VfGH entsprechen den Forderungen der österreichischen Verfassungsrechtsordnung. Die österreichische Rechtsordnung enthält keine Verfassungsgrundsätze der Steuergerechtigkeit und der "im Grundgesetz intendierten sozialen Wirtschaftspolitik und Gesellschaftspolitik" .