JudikaturVfGH

B307/63 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
20. Juni 1964

Hat die Behörde über einen faktisch, nicht aber rechtlich existenten Antrag entschieden und damit einen antragsbedürftigen Bescheid erlassen, ohne daß ein Antrag der Partei vorlag, so hat sie dadurch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Dies ist z. B. der Fall, wenn ein Antrag, der gemäß {Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 833, § 833 ABGB} von allen Teilhabern einer gemeinschaftlichen Sache gestellt werden muß, nicht von allen Teilhabern gestellt wird. Ist einer der Teilhaber voll entmündigt und fehlt hinsichtlich seiner Teilnahme am Antrag die erforderliche gerichtliche Zustimmung (§§ 233 und 282 ABGB) , so gilt z. B. der Antrag als rechtlich nicht gestellt.

Gemäß {Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 833, § 833 ABGB} kommt der Besitz und die Verwaltung der gemeinschaftlichen Sache allen Teilhabern insgesamt zu. Nur in Angelegenheiten, die boß die ordentliche Verwaltung und Benützung betreffen, entscheidet die Mehrheit der Stimmen. Der Antrag auf Widmung eines Grundstückes zu einem Bauplatz kann nur von allen Miteigentümern insgesamt gestellt werden.

Gemäß § 233 ABGB kann ein Vormund in allen Geschäften, welche nicht zu dem ordentlichen Wirtschaftsbetriebe gehören und welche von größerer Wichtigkeit sind, nichts ohne gerichtliche Einwilligung vornehmen. Diese Bestimmung gilt gemäß {Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 282, § 282 ABGB} auch für den Fall der Kuratel. Der Antrag, die Widmung eines Grundstückes zu einem Bauplatz zu genehmigen, schließt die Absicht der Antragsteller, es einer anderen Wirtschaftsverwendung zuzuführen, in sich. Ein derartiges Geschäft gehört nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb und ist offenkundig von größerer Wichtigkeit. Dies ergibt insbesondere auch ein Vergleich dieses Geschäftes mit den im {Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 233, § 233 ABGB} demonstrativ angeführten Geschäften (z. B. kann ein Vormund ohne Genehmigung des Pflegschaftsgerichts keinen Pachtvertrag abschließen) .

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