JudikaturVfGH

B254/63 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
20. März 1964

Wie sich aus dem Wortlaut des {Allgemeines Sozialversicherungsgesetz § 113, § 113 Abs. 1 ASVG} ergibt, ist es in das Ermessen der Behörde gestellt, unter den in dieser Bestimmung angeführten Voraussetzungen einen Beitragszuschlag bis zum zweifachen Ausmaß der nachzuzahlenden Beiträge vorzuschreiben. Das Gesetz bestimmt den Sinn der Ermessensübung hinsichtlich der Vorschreibung von Beitragszuschlägen in hinreichender Weise, weil es sich offensichtlich um Sanktionen für die Nichteinhaltung der Meldepflicht und damit um Sicherungsmittel eines ordnungsgemäßen Funktionierens der Sozialversicherung handelt. Beitragszuschläge gegen den säumigen Verpflichteten in der Sozialversicherung aber sind außerdem sachlich gerechtfertigt wegen des durch die Säumigkeit verursachten Mehraufwandes in der Verwaltung. Aber auch hinsichtlich der Bemessung und Vorschreibung der Beitragszuschläge im Einzelfall ist der Sinn des Gesetzes hinreichend bestimmt. Das Ausmaß der Zuschläge ist durch {Allgemeines Sozialversicherungsgesetz § 113, § 113 ASVG} auf das Zweifache der nachzuzahlenden Beiträge beschränkt.

Damit hat das Gesetz für die Ermessensübung einen engen Rahmen gezogen, einen engeren als etwa beim Gebührengesetz oder dem Beförderungssteuergesetz, aber auch enger, als dies bei Festsetzung eines Strafrahmens stets als unbedenklich erachtet wurde. Der Sinn der Ermessensübung bei der Bemessung der Zuschläge innerhalb des engen gesetzlichen Rahmens wieder ergibt sich offenkundig aus dem Gewicht des jeweiligen Verstoßes gegen die Beitragsbestimmungen, d. h. durch den mit solchen Verstößen verbundenen Mehraufwand der Verwaltung, und dort, wo ein Verschulden vorliegt, auch aus dem Grad des Verschuldens.

Es ist verfassungsrechtlich zulässig, daß die einfache Gesetzgebung von einer bindenden Regelung des Verhaltens der Behörde bei der Erlassung von Bescheiden absieht und die Bestimmung dieses Verhaltens der Behörde selbst überläßt. Dies geht aus Art. 130 Abs. 2 B-VG hervor. Allerdings ist durch {Bundes-Verfassungsgesetz Art 130, Art. 130 B-VG} dem Gesetzgeber auch die Verpflichtung auferlegt, den Sinn von Gesetzen, die zur Ermessensübung ermächtigen, so zum Ausdruck zu bringen, daß die Beurteilung der Frage möglich ist, ob im Einzelfall das Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt worden ist. Gesetze, bei denen ein Urteil darüber nicht möglich ist, sind verfassungswidrig.

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