JudikaturVfGH

B289/63 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
13. März 1964

Bedenken, daß die Bestimmungen des § 49 Abs. 1, der §§ 51 bis 53, des § 56 in Verbindung mit § 42 und des {Allgemeines Sozialversicherungsgesetz § 60, § 60 Abs. 2 ASVG} dem Gleichheitsgebot widersprechen, bestehen nicht.

Das Gleichheitsgebot verpflichtet den Gesetzgeber, bei der Schaffung von Differenzierungen sachlich vorzugehen, also sachfremde Erwägungen dabei auszuschalten. Im Gesetz liegende Differenzierungen, die sachlich nicht begründbar sind, widersprechen demnach dem Gleichheitsgebot.

Der VfGH ist der Meinung, daß es nicht unsachlich ist, Trinkgelder als in die Sozialversicherungsbeitragsgrundlage einzubeziehendes Entgelt anzusehen. Die Frage, ob und inwieweit die Höhe der Trinkgelder exakt ermittelt werden kann, berührt die Sachlichkeit der Anordnung, daß die Trinkgelder Entgelt i. S. des {Allgemeines Sozialversicherungsgesetz § 44, § 44 Abs. 1 Z 1 ASVG} sind, nicht. Das Gesetz verpflichtet den Dienstgeber, nicht etwas zu melden, was er nicht weiß und auch nicht wissen kann. Im besonderen verpflichtet das Gesetz den Dienstgeber nicht, die Höhe von Trinkgeldern zu melden, wenn ihm wohl die Tatsache, daß sie dem Dienstnehmer zufließen, nicht aber das Ausmaß bekannt ist. In diesem Fall bleibt es eben bei der Pflicht, zu melden, daß Trinkgelder vereinnahmt werden und daß Unterlagen über ihr Ausmaß nicht vorgelegt werden können. Es wird dann Sache des Versicherungsträgers sein, die erforderlichen Feststellungen gemäß {Allgemeines Sozialversicherungsgesetz § 42, § 42 Abs. 3 ASVG} zu treffen. Daß die umschriebene gesetzliche Verpflichtung des Dienstgebers eine sachliche Begründung hat, ist offensichtlich und bedarf keiner näheren Erläuterung.

Die Vorschrift des {Allgemeines Sozialversicherungsgesetz § 60, § 60 Abs. 2 ASVG}, gemäß der es der Vereinbarung zwischen dem Versicherten und dem Dienstgeber überlassen bleibt, auf welche Weise der Dienstgeber den auf den Versicherten entfallenden Beitragsteil einziehen kann, wenn das Entgelt in barem ganz oder teilweise aus Leistungen Dritter besteht (während ansonsten in der Regel - gemäß § 60 Abs. 1 leg. cit. - der Dienstgeber berechtigt ist, den auf den Versicherten entfallenden Beitragsteil vom Entgelt in barem abzuziehen) , ist nicht unsachlich. Die unterschiedliche Regelung ist nämlich aus dem tatsächlichen Unterschied ableitbar, daß sich die Regelung des Abs. 1 auf Entgelt bezieht, das der Dienstgeber an den Dienstnehmer zu leisten hat, während es sich bei der Regelung des Abs. 2 um Entgelt handelt, das der Dienstnehmer vereinnahmt, ohne daß der Dienstgeber eingeschaltet ist. Es ist nicht unsachlich, es in diesem Fall dem Dienstgeber und dem Dienstnehmer zu überlassen, entweder zu vereinbaren, daß der Dienstgeber den Beitragsanteil von dem von ihm zu leistenden Entgelt abzieht, oder aber eine andere Einziehungsweise zu vereinbaren. Eine Diskriminierung der Beteiligten kann in dieser Einrichtung größerer Kontraktsfreiheit nicht erblickt werden.

Art. 5 StGG, der die Unversehrtheit des Eigentums gewährleistet, tut dies nur unter dem Gesetzesvorbehalt. Eingriffe in das Eigentum durch einfache Bundes- oder Landesgesetze sind daher zulässig.

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