B13/63 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Die Voraussetzung des in der Rechtsanwaltsordnung vorgeschriebenen Grundsatzes der Vertrauenswürdigkeit verstößt nicht gegen Art. 6 StGG, sie verletzt aber auch nicht die durch das Grundrecht des Art. 18 StGG gezogenen Grenzen. Der VfGH hegt daher gegen die Verfassungsmäßigkeit des {Rechtsanwaltsprüfungsgesetz § 30, § 30 Abs. 3 RAO} keine Bedenken.
Gegen die Verweigerung der Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter steht gemäß {Rechtsanwaltsprüfungsgesetz § 30, § 30 Abs. 4 RAO} den Beteiligten das Recht der Berufung an die Oberste Berufungskommission und Disziplinarkommission (§§ 55 a ff. des Disziplinarstatuts) zu. Die Bestimmungen des 2. Absatzes des § 5 a sind anzuwenden. Aus dem Wortlaut der zitierten gesetzlichen Bestimmungen geht hervor, daß die verfahrensrechtliche Stellung des Berufungswerbers im AVG geregelt ist. Der VfGH vermag daher seine im Erk. Slg. 3406/1958 ausgesprochene Meinung über die Nichtanwendbarkeit des {Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz § 7, § 7 AVG} nicht aufrechtzuerhalten. Es gilt daher das im § 55 e des DSt normierte Ablehnungsrecht nicht für das bei Verweigerung der Eintragung in die Liste einzuhaltende Verfahren.
Gemäß § 55 d Abs. 1 des DSt verhandelt und entscheidet die Oberste Berufungskommission und Disziplinarkommission in Senaten, die aus zwei Richtern und zwei Anwaltsrichtern bestehen; den Vorsitz führt ein Richter. Dieser den Vorsitz führende Richter ist jedoch kein weiteres Mitglied des Senates, sondern einer der beiden Richter, die dem Senat angehören. Somit besteht der Senat nicht aus fünf, sondern nur aus vier Mitgliedern. Der Beschuldigte hat kein Recht darauf, daß dem erkennenden Senat nur Anwaltsrichter angehören, die von der Kammer gewählt wurden, der der Beschuldigte angehört. Im § 55 d Abs. 2 DSt heißt es nämlich nur: "Soweit als möglich sind die Anwaltsrichter beizuziehen, die von der Kammer gewählt wurden, der der Beschuldigte angehört" . Ein Rechtsanwaltsanwärter als Beschuldigter hat kein Recht darauf, daß dem Ausschuß in erster Instanz oder dem Senat in zweiter Instanz ein Rechtsanwaltsanwärter angehört.
Der VfGH hat in ständiger Rechtsprechung die These vertreten, daß die gesetzliche Regelung eines Ausbildungsvorganges keine Einschränkung der Freiheit der Berufsausbildung darstelle; sie sei vielmehr als Bedingung für die Ausübung eines Erwerbszweiges i. S. des Art. 6 StGG aufzufassen. Art. 6 StGG aber stehe unter dem Gesetzesvorbehalt.
Gerade die Ausbildung eines Rechtsanwaltsanwärters geht nicht schulmäßig, sondern in der Ausübung des Berufes selbst unter bestimmten Regeln des Gesetzes vor sich. Es ist dies ein Fall, in dem die Berufsausbildung derart eng mit der Erwerbstätigkeit verbunden ist, so daß sich die Regelung des Ausbildungsvorganges tatsächlich als Bedingung für die Ausübung eines bestimmten Erwerbszweiges i. S. des Art. 6 StGG darstellt.