B121/62 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Wird ein durch Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsverfahren von Amts wegen wiederaufgenommen, so tritt der Bescheid, der das wiederaufgenommene Verfahren abgeschlossen hat, mit der Zustellung des Wiederaufnahmebescheides außer Kraft. Objekt der Beschwerde gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 144, Art. 144 B-VG} ist ausschließlich der im wiederaufgenommenen Verfahren erlassene Bescheid.
Gegen § 15 Abs. 1 lit. a und lit. b erster Satz des Slbg. Landesstraßengesetzes 1955 bestehen insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung (Art. 94 B-VG) keine Bedenken. Ebensowenig bestehen Bedenken gegen die Bestimmungen der §§ 12 und 13 leg. cit. Art. 94 B-VG gestattet nicht, die ordentlichen Gerichte durch einfaches Bundesgesetz oder Landesgesetz als Kontrollinstanzen zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Bescheide der Verwaltungsbehörden zu berufen. Durch die instanzenmäßige Zusammenfassung von Gerichten und Verwaltungsbehörden in einem und demselben Rechtsmittelzug werden die beiden Behördentypen, die voneinander in allen Instanzen getrennt sein sollen, verfassungswidrigerweise zu einer organischen Einheit verbunden. Wenn ein Gesetz anordnet, daß die ordentlichen Gerichte anrufen kann, wer von der Verwaltungsbehörde in Anspruch genommen würde, und daß das ordentliche Gericht nach dem Ergebnis seiner eigenen Prüfung den Verwaltungsbescheid allenfalls aufheben oder abändern kann, so wird damit ein Verhältnis der Überordung der Gerichte über die Verwaltungsbehörde geschaffen, das mit dem Grundsatz des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 94, Art. 94 B-VG} über die Trennung von Justiz und Verwaltung und der daraus abzuleitenden Selbständigkeit der Behörden beider Ordnung nicht im Einklang steht und darum verfassungswidrig ist. Der Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung bedeutet demnach auch, daß nicht über ein und dieselbe Frage sowohl Gerichte als auch Verwaltungsbehörden, sei es im gemeinsamen Zusammenwirken, sei es im instanzenmäßig gegliederten Nacheinander, entscheiden dürfen.
Hingegen wird die Schaffung sukzessiver Zuständigkeiten von Verwaltungsbehörden und Gerichten, wobei diese Vollziehungsbehörden nicht durch eine instanzenmäßige Gliederung verbunden sind, durch {Bundes-Verfassungsgesetz Art 94, Art. 94 B-VG} nicht verwehrt.
Widersprechen die gesetzlichen Bestimmungen, die die Grundlage des angefochtenen Bescheides bilden, dem Grundsatze des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 94, Art. 94 B-VG} über die Trennung der Justiz von der Verwaltung, so ist die Partei in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
Wurde der bf. Partei für den Fall, als sie sich durch die Entscheidung der Behörde benachteiligt hielt, vom Gesetze die Möglichkeit geboten, das ordentliche Gericht anzurufen und hat die Partei von der ihr eingeräumten Möglichkeit, den Verwaltungsbescheid zu vernichten, keinen Gebrauch gemacht, so ist die Partei als dem Bescheid zustimmend anzusehen. Auf demselben Grundgedanken beruht die Bestimmung des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 144, Art. 144 Abs. 1 B-VG}, daß, sofern bundesgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, die Beschwerde erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden kann. Wer sein Recht nicht mit den ihm von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Mitteln verficht, hat es verwirkt. Konnte sohin die Partei durch den angefochtenen Bescheid in keinem Rechte verletzt werden, so ist sie zur Beschwerdeführung gegen ihn nicht legitimiert.
Darin, daß ein einfaches Gesetz einer Gebietskörperschaft in einem Verwaltungsverfahren Parteienrechte einräumt, kann keine Verfassungswidrigkeit erblickt werden.
Die Verlassenschaft ist beschwerdeberechtigt.