JudikaturVfGH

B200/62 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
13. Dezember 1962

Die Bestätigung einer vorläufigen Suspendierung gemäß § 145 Dienstpragmatik ist ein Bescheid der Disziplinarkommission.

Der Beschluß, das Disziplinarverfahren einzuleiten (§ 113) , ist nicht bloß eine prozessuale Verfügung. Der Beschluß gestaltet vielmehr das Dienstrechtsverhältnis des betroffenen Beamten. Er erhält nämlich durch den Beschluß den Status eines Beamten, gegen den ein Disziplinarverfahren eingeleitet ist, dessen Rechtsverhältnisse anders sind als die jener Beamten, gegen die kein Disziplinarverfahren eingeleitet ist (Aufschiebung der Vorrückung in höhere Bezüge - {Gehaltsgesetz 1956 § 9, § 9 Abs. 1 Z 1 Gehaltsgesetz 1956} -; Ernennung auf einen höheren Dienstposten erst nach Abschluß des Verfahrens bei Zutreffen gewisser Voraussetzungen möglich - § 16 Abs. 3 Gehaltsüberleitungsgesetz -) . Daher liegt ein Bescheid vor.

Keine Bedenken gegen die Regelung des § 102 Abs. 1 lit. b im Hinblick auf das Gleichheitsgebot und im Hinblick auf {Bundes-Verfassungsgesetz Art 83, Art. 83 Abs. 2 B-VG}.

Die in § 102 Abs. 1 lit. b DP liegende Differenzierung, die darin besteht, daß die Beamten, die bei den Zentralstellen verwendet werden und für die die Disziplinaroberkommission in erster und letzter Instanz zuständig ist, keine zweite Instanz anrufen können, während den Beamten, für die gemäß § 102 Abs. 1 lit. a DP die Disziplinarkommission in erster Instanz zuständig ist, diese Möglichkeit gegeben ist, ist nicht unsachlich. Sie kann nämlich aus entsprechenden Unterschieden in den gegebenen Verhältnissen abgeleitet werden. Dieser Unterschied liegt einfach darin, daß die eine Gruppe von Beamten bei Unterbehörden, die andere bei der Zentralstelle verwendet wird. Daraus ist gewiß ableitbar, daß für die bei den Unterbehörden verwendeten Beamten in der Regel bei diesen und für die bei den Zentralstellen verwendeten Beamten bei der höchsten Behörde Disziplinarbehörden eingerichtet werden. Die Möglichkeit, die bei den Zentralstellen eingerichteten Disziplinarbehörden auch mit der Zuständigkeit als Rechtsmittelbehörden im Verhältnis zu den bei den Unterbehörden eingerichteten Disziplinarbehörden auszustatten, bietet sich in weiterer Folge aus diesen tatsächlichen Verhältnissen heraus geradezu an, während eine vergleichbare Möglichkeit für die in erster Instanz einschreitenden Disziplinarbehörden bei den obersten Behörden nicht besteht. Diese Ableitungen sind - weil sie auf sachlichen Gegebenheiten aufbauen - nicht sachfremd. Ob sie richtig sind und gewissen rechtspolitischen Forderungen entsprechen, ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung und darf gar nicht geprüft werden. Bedenken, daß die Regelung des § 102 Abs. 1 lit. b DP unsachlich wäre und daher dem Gleichheitsgebot widerspräche, bestehen somit nicht.

Ein Gesetz, das selbst die behördliche Zuständigkeit ausreichend und eindeutig bestimmt, kann niemals dem Art. 83 Abs. 2 B-VG widersprechen. {Bundes-Verfassungsgesetz Art 83, Art. 83 Abs. 2 B-VG} gibt kein Recht auf die Zuständigkeit einer bestimmten Behörde oder auf eine bestimmte Zahl von Instanzen.

Mit der Verfügung der vorläufigen Suspendierung wird bewirkt, daß eine Sache an die Disziplinaroberkommission herangetragen wird ( § 145 Abs. 5 DP) . Erhalten die dabei der Disziplinarbehörde übermittelten Dokumente dadurch den Charakter einer Disziplinaranzeige (§ 112 DP) , so hängt es vom Verhalten des die vorläufige Suspendierung Verfügenden ab, ob es zur Anzeige bei der Disziplinarbehörde kommt. Dieser ist somit gemäß § 111 DP in Verbindung mit der danach sinngemäß anzuwendenden Bestimmung des {Strafprozeßordnung 1975 § 68, § 68 Abs. 1 Z 2 StPO} in der Sache als Mitglied der Disziplinarbehörde ausgeschlossen.

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