B376/61 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Der VfGH hat in zahlreichen Erkenntnissen die Auffassung vertreten, daß Bescheide, die nichts anderes verfügen als die Herstellung des der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Rechtszustandes, vor dem VfGH unanfechtbar sind. Er hat dies damit begründet, daß sich Beschwerden gegen solche Bescheide in Wahrheit nicht gegen die Bescheide selbst, sondern gegen die im vorangegangenen Erkenntnis des VwGH zum Ausdruck gebrachte Rechtsanschauung wenden (vgl. Slg. 1894/1949, 2046/1950, Anh. 20/1954, Slg. 2792/1955, 3326/1958, 3455/1958 und 4004/1961) . Der VfGH hält an dieser Auffassung der Vorerkenntnisse fest. Er ist weiterhin der Auffassung, daß nach einem aufhebenden Erkenntnis des VwGH ein gemäß § 50 Abs. 1 VwGG 1952 erlassener Vollstreckungsbescheid (Ersatzbescheid) bei ungeänderter Sachlage und Rechtslage nur einer Überprüfung auf seine Übereinstimmung mit der Rechtsanschauung des VwGH zugänglich ist.
Wenn der VwGH z. B. einen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der bel. Beh. aufgehoben hat, so widerspräche es der von einem aufhebenden Erkenntnisse des VwGH ausgehenden bindenden Wirkung, wollte der VfGH, bei welchem der Vollstreckungsbescheid angefochten wird, über die Zuständigkeitsfrage selbständig entscheiden. Das gleiche hat zu gelten, wenn der VwGH die Beschwerdebehauptung über eine Unzuständigkeit der bel. Beh. nicht als gegründet befunden hat. Die Frage der Zuständigkeit der Behörde, die in der Folge i. S. der Rechtsanschauung tätig geworden ist, kann nicht mehr aufgerollt werden. Die Bindungswirkung eines aufhebenden Erkenntnisses des VwGH erstreckt sich auf alle im Erkenntnis zum Ausdruck kommenden Rechtsmeinungen im Zusammenhalt mit dem von der bel. Beh. angenommenen Sachverhalt, und zwar auch dann, wenn nur eine von diesen Rechtsmeinungen den Grund für die Aufhebung des angefochtenen Bescheides gebildet hat (vgl. Erk. des VwGH, Slg. NF Nr. 3706 A) . Die Bindung an die Rechtsanschauung des VwGH erstreckt sich darüber hinaus auch auf solche Fragen, die zwar der VwGH nicht ausdrücklich behandelt hat, die aber eine notwendige Voraussetzung für den Inhalt seines aufhebenden Erkenntnisses darstellen. So setzt die Aufhebung eines Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften notwendigerweise die Bejahung der Zuständigkeit der bel. Beh. voraus. In einem solchen Erkenntnis liegt der Befehl an die bel. Beh., das Verfahren nach den im Erkenntnisse enthaltenen Richtlinien zu ergänzen und durchzuführen.
Eine andere Beurteilung der Zuständigkeit stünde mit dem Inhalte der einem solchen Erkenntnis zugrunde liegenden Rechtsauffassung in einem unüberbrückbaren Gegensatz.