JudikaturVfGH

V2/59 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
23. Juni 1961

1. {Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 § 2, § 2 Abs. 1 Arbeitslosenversicherungsgesetz} enthält keine formalgesetzliche Delegation (so bereits Erk. Slg. 3267/1957) . Die zu verordnende Maßnahme ist schon im Gesetz völlig abschließend bestimmt, nämlich die Einbeziehung bisher ausgenommener Dienstnehmer in die Arbeitslosenversicherungspflicht. Die Behörde hat in dieser Richtung nur die Freiheit, alle ausgenommenen Dienstnehmer oder nur bestimmte Gruppen von ihnen einzubeziehen. Wesentlich weniger bestimmt hat der Gesetzgeber die Voraussetzung umschrieben, unter der eine Verordnung erlassen werden darf, nämlich dann, wenn sich infolge Arbeitslosigkeit in diesen Berufsgruppen die Notwendigkeit hiezu herausstellt. Der Gesetzgeber hat sich hier unbestimmter Gesetzesbegriffe bedient. Der VfGH hält dies für unbedenklich, solange solche Begriffe noch eine Prüfung der Verordnung am Gesetzesinhalt ermöglichen. Im vorliegenden Fall ist diese Möglichkeit gegeben, denn eine Prüfung der Notwendigkeit der Einbeziehung weiterer Dienstnehmer in die Arbeitslosenversicherungspflicht infolge Arbeitslosigkeit in diesen Berufsgruppen ist z. B. durch Prüfung der Entwicklung der Arbeitslosigkeit ohne weiteres möglich.

2. Wenn § 2 Abs. 1 die Einbeziehung von Dienstnehmern der Kategorien der lit. d und e des § 1 Abs. 2 unter der Voraussetzung gestattet, daß sich infolge Arbeitslosigkeit in diesen Berufsgruppen die Notwendigkeit hiezu herausstellt, so liegt darin die Ermächtigung zu einer einheitlichen Regelung für das gesamte Bundesgebiet.

Die Ermächtigung gilt für die im Gesetze aufgezählten Berufsgruppen und verpflichtet demnach nicht, innerhalb dieser Berufsgruppen zu differenzieren.

Das Gesetz enthält keine Definition der Arbeitslosigkeit, die nach § 2 Abs. 1 eine Voraussetzung für die Ausdehnung der Arbeitslosenversicherungspflicht durch Verordnung ist. Anderseits enthält es auch keine Einschränkung auf bestimmte Ursachen einer Arbeitslosigkeit. Unter Arbeitslosigkeit ist daher nur der Mangel an Arbeitsgelegenheit, damit auch eine saisonale Arbeitslosigkeit und - was für die Entscheidung im vorliegenden Fall in Betracht kommt - im besonderen eine Winterarbeitslosigkeit zu verstehen. Von der Arbeitslosenversicherungspflicht sind denn auch nur Dienstnehmer ausgeschlossen, die nach der Höhe des Entgeltes geringfügig beschäftigt sind (§ 1 Abs. 2 lit. g und Abs. 4) . Die Dauer des Dienstverhältnisses ist hiefür ohne Belang.

Dem Gesetze kann auch nicht der Sinn beigelegt werden, daß die Arbeitslosigkeit in den genannten Berufsgruppen seit der Erlassung des Gesetzes im Jahre 1949 (BGBl. Nr. 184/1949) angestiegen sein müßte. Es kommt vielmehr nur auf die Arbeitsmarktlage im Zeitpunkt der Verordnungserlassung an.

Das Gesetz umschreibt nicht den Begriff der "Notwendigkeit" . Hiezu hat der VfGH bereits im Erk. Slg. 3267/1957 ausgeführt, daß der Behörde zwar kein Ermessen zusteht, daß ihr aber ein gewisser Spielraum in der Ermittlung der konkreten Lösung zukommt.

3. Eine saisonbedingte Arbeitslosigkeit und ein höherer Bedarf an Arbeitskräften schließen einander nicht aus.

Die Verordnung des BM für soziale Verwaltung vom 6. April 1957, BGBl. Nr. 99, über die Arbeitslosenversicherungspflicht der Arbeiter in der Landwirtschaft (10. Durchführungsverordnung zum AlVG) ist nicht gesetzwidrig.

Die Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe ist unbedenklich, solange sie noch eine Prüfung der Verordnung am Gesetzesinhalt ermöglichen (siehe z. B. {Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 § 2, § 2 Abs. 1 AlVG}) .

Ist die Ausschöpfung des gesamten Verordnungsinhaltes durch einen einzigen Akt nicht gesetzwidrig, so kann eine Gesetzwidrigkeit nicht darin gelegen sein, daß ein rechtlich zulässiges Ergebnis durch mehrere Akte zustandekommt.

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