JudikaturVfGH

G15/60 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
17. März 1961

Angelegenheiten des Gemeindewesens fallen unter {Bundes-Verfassungsgesetz Art 15, Art. 15 Abs. 1 B-VG}.

Hätten die die Handdienste und Zugdienste betreffenden Bestimmungen der Gemeindeordnung einen Inhalt, gemäß dem sie als Geldabgaben zu werten sind, so wäre die Regelung verfassungswidrig. Sie wäre es auch, wenn sie vorsähe, daß Dienste verlangt werden dürfen, deren Umfang oder deren Inhalt es ausschließt, daß sie vom Verpflichteten persönlich erbracht werden können, und daß diese Dienste - soweit sie für den Leistungspflichtigen nicht persönlich erbringbar sind - durch Stellvertreter oder in Geld geleistet werden müssen, wobei im Falle der Nichterbringung die Geldleistung erzwungen wird. Letzten Endes würde es sich nämlich dann um eine Geldleistung handeln, es würde eine verschleierte Abgabe vorliegen, die in der Finanzverfassung keine Deckung hätte.

Die früher in der GO enthaltenen Abgabenvorschriften waren eine Regelung auf dem Gebiete des Gemeindewesens. Durch {Bundes-Verfassungsgesetz Art 13, Art. 13 B-VG} ist aber die Regelung der Gemeindeabgaben aus diesem Zusammenhang herausgenommen worden. Die Handdienste und Zugdienste sind jedoch soweit eine Angelegenheit des Gemeindewesens geblieben, als sie nicht als Geldabgabe i. S. des F-VG zu werten sind, unter Art. V des Reichsgemeindegesetzes subsumiert werden können und daher auch unter die Bestimmung des § 8 Abs. 5 lit. f Verf-ÜG 1920 fallen.

Es ist zwar nicht unzulässig, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Verpflichteten bei der Aufteilung der Handdienste und Zugdienste zu berücksichtigen. Es ist aber sachfremd, die persönliche Erbringbarkeit ausschließlich von der Tatsache abzuleiten, daß zur Grundsteuer oder Gewerbesteuer beigetragen wird. Enthält das Gesetz auch keinerlei Einschränkung in der Richtung, daß Dienstleistungen nur für Gemeindeerfordernisse verlangt werden dürfen, die den Grundsteuerpflichtigen und den Gewerbesteuerpflichtigen über das allgemeine Maß hinaus besonders zugute kommen, handelt es sich vielmehr um Gemeindeerfordernisse, die dem Personenkreis der Grundsteuerpflichtigen und Gewerbesteuerpflichtigen in der Gemeinde im Vergleich zu den übrigen Personen in der Gemeinde keinen besonderen Nutzen bringen, so widerspricht die Regelung dem Gleichheitsgebot.

Die die Handdienste und Zugdienste betreffende Bestimmung des § 57 enthält eine Regelung der "Rechtsverhältnisse der Ortsgemeinden" i. S. des § 8 Abs. 5 lit. f ÜG 1920. Es handelt sich somit um eine Angelegenheit gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 15, Art. 15 Abs. 1 B-VG}.

Der zweite Satz im § 57 Abs. 2 und der erste Satz im § 57 Abs. 3 der GO 1959, LGBl. für das Land Steiermark Nr. 41/1959, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

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