B102/60 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Eine im Verfahren vor der ersten Instanz etwa geübte Willkür vermag für sich allein der Bestätigung der Strafe im Rechtsmittelverfahren die Qualifikation als Willkürakt nicht zu geben. Hat die Behörde zweiter Instanz willkürlich gehandelt, so wurde durch den Rechtsmittelbescheid das Gleichheitsrecht verletzt, gleichgültig, ob die erstinstanzliche Behörde ebenfalls willkürlich vorgegangen ist oder nicht. Ist aber die Rechtsmittelbehörde sachlich vorgegangen, hat sie das Recht objektiv angewendet und ist sie dabei zur Bestätigung der von der ersten Instanz verhängten Strafe gekommen, so kann von einem Willkürakt - gleichgültig, wie sich die Behörde erster Instanz verhalten hat - keine Rede sein.
Der Vorbehalt betreffend den Art. 5 MRK ist Bestandteil des Staatsvertrages, wie er vom Nationalrat genehmigt und im BGBl. Nr. 210/1958 kundgemacht worden ist (Art. 50, 49 B-VG) . Der Vorbehalt ist demnach im innerstaatlichen Bereich gleichrangig den übrigen Bestimmungen der MRK. Das für den innerstaatlichen Bereich normerzeugende Organ hat damit zum Ausdruck gebracht, daß es den Vorbehalt mit Art. 64 der MRK vereinbar hält. Für den innerstaatlichen Bereich hat demnach Art. 5 jedenfalls nur den durch den Vorbehalt modifizierten verbindlichen Inhalt. Zu den "in den Verwaltungsverfahrensgesetzen, BGBl. Nr. 172/1950, vorgesehenen Maßnahmen des Freiheitsentzugs" gehört nun auch das Strafmittel des Arrestes (§§ 11 und 12 VStG 1950) , wobei es gleichgültig ist, für welche Verwaltungsübertretungen im einzelnen die Arreststrafe in den Verwaltungsvorschriften (§ 10 Abs. 1 VStG 1950) vorgesehen ist.