B459/59 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Die Zuständigkeit des Bundes, Normen in Form von Staatsverträgen zu schaffen, ist, wie sich aus {Bundes-Verfassungsgesetz Art 10, Art. 10 Abs. 1 Z 2 B-VG} ergibt, nicht auf bestimmte Angelegenheiten beschränkt. Durch Staatsvertrag kann jede Angelegenheit, gleichgültig unter welche Gesetzgebungskompetenz sie fällt, geregelt werden. Durch Staatsvertrag können sowohl Bundesgesetze als auch Landesgesetze geändert werden. Die Kompetenzartikel des B-VG gelten also, soweit sie die Zuständigkeit zur Gesetzgebung verteilen, nicht für die Normerzeugung in Form von Staatsverträgen. {Bundes-Verfassungsgesetz Art 16, Art. 16 B-VG} trifft neben einer subsidiären Regelung der Vollzugskompetenz lediglich eine Sonderregelung der Zuständigkeit zur Erlassung jener Gesetze, die zur Durchführung eines Staatsvertrages in Angelegenheiten erforderlich werden, die ansonsten nicht in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fallen.
Bei der Prüfung, ob aus dem Inhalt eines Staatsvertrages, der vom Nationalrat genehmigt worden ({Bundes-Verfassungsgesetz Art 50, Art. 50 Abs. 1 B-VG}) und gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 49, Art. 49 Abs. 1 B-VG} im Bundesgesetzblatt kundgemacht worden ist und daher verbindende Kraft erlangt hat, unmittelbar und allgemein subjektive Ansprüche oder Verpflichtungen entstehen, ob die Bestimmung also "self executing" ist, ist zu beachten, daß die Diktion der Staatsverträge von der in Österreich üblichen Gesetzessprache abweicht. Dies u. a. auch deswegen, weil ein multilateraler Staatsvertrag, der "self executing" sein soll, so formuliert sein muß, daß er auch ein geeignetes Instrument in jenen Ländern ist, in denen es einer besonderen Durchführungsvorschrift bedarf, um ihm überhaupt innerstaatliche Wirksamkeit zu geben.
Art. 30 lit. d des Straßenverkehrszeichen-Protokolles Genf, BGBl. Nr. 222/1955, bindet die Allgemeinheit, das darin umschriebene Verbot zu beachten, soweit das abgebildete Verkehrszeichen angebracht ist. Es handelt sich um eine im Gesetzesrang stehende generelle Vorschrift, die unmittelbar anwendbar ("self-executing") ist. Ihre Verletzung ist nach § 72 Straßenpolizeigesetz als Verwaltungsübertretung strafbar. Gegen die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift bestehen keine Bedenken.