B83/57 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
§ 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Pensionsbehandlung von Hochschulprofessoren und über die Emeritierung, BGBl. Nr. 236/1955, gemäß dem ein Hochschullehrer, der bleibend unfähig ist, seiner Lehrverpflichtung und seinen Forschungsaufgaben hinreichend nachzukommen, von Amts wegen in den dauernden Ruhestand zu versetzen ist, steht mit Art. 17 StGG ("Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei") nicht im Widerspruch.
Eine bleibende Unfähigkeit i. S. des § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Pensionsbehandlung von Hochschulprofessoren und über die Emeritierung, BGBl. Nr. 236/1955, ist schon dann gegeben, wenn sie sich auf die Lehrverpflichtung allein bezieht. Es ist nicht erforderlich, daß sie auch die Besorgung der Forschungsaufgaben erfaßt. Ob die Unfähigkeit einen solchen Grad erreicht, daß sie den Hochschulprofessor hindert, sein Amt hinreichend zu versehen, hängt auch von den Aufgaben und Zielen des Amtes ab, das dem Hochschulprofessor anvertraut ist.
Das Grundrecht des Art. 17 StGG ist ein absolutes, es kann daher durch kein einfaches Gesetz und durch keinen Verwaltungsakt eingeschränkt werden. Anders als bei Grundrechten, die den Gesetzesvorbehalt enthalten, muß daher ein Verwaltungsakt, der auf die Sphäre dieses Grundrechtes einzuwirken geeignet ist, im vollen Umfang dahin überprüft werden, ob er nach Zweck und Inhalt mit Art. 17 StGG in Einklang steht. Eine Verletzung der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre wird daher nicht schon durch die Feststellung verneint, daß die Behörde ein an sich verfassungsmäßiges Gesetz denkmöglich angewendet hat. In Fällen dieser Art ist vielmehr zu untersuchen, ob die Behörde eine richtige Entscheidung getroffen hat.
Das sich aus Art. 17 StGG ergebende verfassungsgesetzlich verbürgte subjektive öffentliche Recht auf Freiheit der Betätigung in Wissenschaft und Lehre gewährt kein verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf unbeschränkte Belassung im Amte eines Hochschullehrers. Ein die dienstrechtliche Stellung eines Hochschulprofessors regelndes Gesetz wäre allerdings verfassungswidrig, wenn es in die dienstrechtliche Stellung eingriffe, um die Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre zu beeinträchtigen, z. B. also um eine wissenschaftliche Lehrmeinung dauernd oder auch nur vorübergehend zu unterdrücken. Verfassungswidrig wären auch individuelle dienstrechtliche Maßnahmen, falls sie in dieses Grundrecht eingreifen sollten. Ein Gesetz hingegen, das sicherstellen will, daß nur körperlich und geistig fähige Personen das Hochschullehramt versehen, entspricht einem das gesamte Dienstrecht beherrschenden Grundsatz, dessen Anwendung auf Hochschullehrer gerade wegen ihrer qualifizierten, bedeutungsvollen und verantwortungsvollen Stellung keinem berechtigten Zweifel unterworfen sein kann. Das Grundrecht der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre wird durch eine solche Regelung nicht berührt.