JudikaturVfGH

G39/58 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
17. Oktober 1958

Die Schaffung sukzessiver Zuständigkeiten von Verwaltungsbehörden und Gerichten, wie sie im § 37 Mietengesetz erfolgte, widerspricht nicht der Verfassung. Dem {Bundes-Verfassungsgesetz Art 94, Art. 94 B-VG} würde eine organisatorische Zusammenfassung von Verwaltungsbehörden und Gerichtsbehörden in instanzmäßiger Gliederung widersprechen.

Die §§ 370 bis 407 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, i. d. F. der Bundesgesetze BGBl. Nr. 266/1956, Nr. 171/1957 und Nr. 294/1957 sind nicht verfassungswidrig.

Die Organe der Versicherungsträger werden, wenn sie Bescheide in Leistungssachen erlassen, als Verwaltungsbehörden tätig ({Allgemeines Sozialversicherungsgesetz § 367, § 367 ASVG} .

Durch die Einbringung der Klage beim Schiedsgericht ({Allgemeines Sozialversicherungsgesetz § 384, § 384 ASVG}) tritt der Bescheid des Sozialversicherungsträgers im Umfange des Klagebegehrens ohne jede Einschränkung außer Kraft. Die Bescheide können daher nicht Gegenstand der schiedsgerichtlichen Tätigkeit sein. Den Schiedsgerichten fehlt also jede Kontrollfunktion hinsichtlich dieser Bescheide. Sie dürfen die Rechtmäßigkeit des den Beschwerden vorausgehenden Verwaltungsverfahrens nicht prüfen; ebenso ist es ihnen verwehrt, die materielle Richtigkeit der Bescheide zu kontrollieren. Sie dürfen daher - im Gegensatz zu den das AVG 1950 anwendenden administrativen Berufungsbehörden - insbesondere weder die Ordnungsmäßigkeit des Ermittlungsverfahrens noch die Richtigkeit der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes noch die Vorschriftsmäßigkeit der rechtlichen Würdigung dieses Sachverhaltes prüfen und somit auch keine den Bescheid des Sozialversicherungsträgers bestätigende oder abändernde oder aufhebende Entscheidung treffen. Die Schiedsgerichte der Sozialversicherung haben vielmehr ein von Grund auf vollkommen neues Verfahren durchzuführen und vollkommen neu zu entscheiden.

Bedient sich die Partei eines vom Gesetz zur Verfügung gestellten Mittels, das Außerkrafttreten eines Bescheides herbeizuführen, nicht, so unterwirft sie sich dem Bescheid, sie stimmt zu. Die Partei kann in diesem Fall durch den Bescheid in keinem Recht verletzt werden ( volenti non fit iniuria) . Bescheide, die nur eine vorläufige Regelung treffen, weil sie durch irgendeine Handlung der Partei außer Kraft gesetzt werden können, können also von der Partei mangels Legitimation nicht vor dem VfGH angefochten werden, wenn der Partei die Möglichkeit eingeräumt ist, ihre Ansprüche anderweitig endgültig durchzusetzen.

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