JudikaturVfGH

B62/58 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
16. Oktober 1958

Die Dienstpragmatik ist der Kompetenzbestimmung des Art. 10 Abs. 1 Z 16 B-VG zuzuordnen, die für alle Bundesbeamten, also auch für jene gilt, die behördliche Aufgaben zu besorgen haben. Bedenken, die DP könnte im Hinblick auf die Vorschrift des Art. 21 Abs. 1 B-VG verfassungswidrig sein, können derzeit nicht entstehen.

Die ausdrückliche Zitierung des Art. 10 Abs. 1 Z 16 und des Art. 12 Abs. 1 Z. 9 B-VG am Schluß des ersten Satzes im Abs. 1 des Art. 21 B-VG zeigt, daß durch die Regelung keine neue Kompetenz geschaffen worden ist. Es wurde lediglich bestimmt, daß die gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 16 und gemäß Art. 12 Abs. 1 Z 9 durch Bundesgesetz zu treffenden Regelungen nach einheitlichen Grundsätzen gestaltet werden müssen ( vgl. auch Froehlich-Kelsen-Merkl, Die Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920, Wien 1922, 1. Satz der Bemerkungen zu {Bundes-Verfassungsgesetz Art 21, Art. 21 B-VG}) . Insofern wird somit jener Teil der Kompetenz des Bundesgesetzgebers nach Art. 10 Abs. 1 Z 16, der das Dienstrecht der Bundesangestellten zum Gegenstand hat, die behördliche Aufgaben zu besorgen haben - das sind jene, die im Bereich der Hoheitsverwaltung und der Gerichte tätig sind (Erk. Slg. 1936/1950) -, mit der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 12 Abs. 1 Z 9 ("Dienstrecht der Angestellten der Länder, die behördliche Aufgaben zu besorgen haben") koordiniert.

Dem Bundesgesetzgeber ist es verwehrt, bei Inanspruchnahme der Kompetenz nach Art. 12 Abs. 1 Z 9 andere Grundsätze aufzustellen, als sie einer bundesgesetzlichen Regelung gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 16 innewohnen. Umgekehrt ist es dem Bundesgesetzgeber verwehrt, unter Inanspruchnahme der Kompetenz nach Art. 10 Abs. 1 Z 16 B-VG Regelungen zu treffen, denen Grundsätze immanent sind, die von den in einem Gesetz nach Art. 12 Abs. 1 Z 9 aufgestellten abweichen. Dieser Verfassungsrechtslage gemäß ist die DP der Kompetenzbestimmung des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 10, Art. 10 Abs. 1 Z 16 B-VG} zuzuordnen, die für alle Bundesbeamten, also auch für jene gilt, die behördliche Aufgaben zu besorgen haben.

Ein Grundsatzgesetz nach Art. 12 Abs. 1 Z 9 betreffend die Regelung des Dienstrechtes der in der Hoheitsverwaltung tätigen Angestellten der Länder ist bisher nicht erlassen worden. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, daß, falls es erfließt, die in ihm enthaltenen Grundsätze, soweit sie das in der DP geregelte Rechtsgebiet betreffen, keine anderen sein dürfen, als sie bereits in der DP zum Ausdruck kommen, es sei denn, daß die DP gleichzeitig entsprechend geändert wird. Daraus ergibt sich weiters, daß Bedenken, die DP könnte im Hinblick auf die Vorschrift des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 21, Art. 21 Abs. 1 B-VG} verfassungswidrig sein, derzeit nicht entstehen können.

Die Nichtbeachtung der Vorschrift des § 122 DP bewirkt keine Verletzung des Rechtes auf den gesetzlichen Richter. Denn der Verweisungsbeschluß ist ein prozessualer Verwaltungsakt, der weder die Zuständigkeit noch die Einrichtung der Behörde berührt. Es fehlt insbesondere jede gesetzliche Vorschrift, die dahingehend ausgelegt werden könnte, daß die Zuständigkeit der Disziplinarbehörde zur Verhängung eines Schuldspruches und zur Verhängung einer Strafe erst durch den Verweisungsbeschluß begründet wird.

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