B211/55 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
§ 10 Abs. 1 des Gesetzes über den Jugendschutz gegen sittliche Gefährdung, BGBl. Nr. 97/1950, ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
Bedenken verfassungsgesetzlicher Natur bestehen gegen die materiellrechtlichen Bestimmungen dieses Gesetzes nicht.
Die Bundesgesetzgebung ist nach {Bundes-Verfassungsgesetz Art 102, Art. 102 Abs. 2 B-VG} zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet, solche Angelegenheiten unmittelbar durch Bundesbehörden versehen zu lassen, sie kann vielmehr in solchen Angelegenheiten die Vollziehung den Landesbehörden in mittelbarer Bundesverwaltung übertragen.
Dem Art. 10 B-VG kommt gegenüber dem Art. 12 B-VG der Vorrang zu. Der Kompetenztatbestand des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 12, Art. 12 Abs. 1 Z 2 B-VG} (Jugendfürsorge) tritt gegenüber dem Kompetenztatbestand des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 10, Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG} (Pressewesen) zurück.
Auch die Meinungsäußerung durch Druckwerke ist nicht schrankenlos frei, sondern darf nur im Rahmen der Gesetze erfolgen. Verboten ist durch Art. 13 Abs. 2 StGG und den Beschluß der Provisorischen Nationalversammlung vom 30. Oktober 1918, StGBl. Nr. 3, lediglich eine Vorzensur, während repressive Maßnahmen in voller Übereinstimmung mit der Verfassung überall dort durch einfaches Gesetz angeordnet werden können, wo ein Druckwerk gesetzlich anerkannte Interessen eines einzelnen oder der Gesamtheit verletzt oder gefährdet. Zu diesen gesetzlich geschützten Interessen gehört aber auch die vorbeugende Bewahrung der Jugend vor sittlicher Gefährdung, die sich das Gesetz vom 31. März 1950, BGBl. Nr. 97, zur Aufgabe stellt.