G28/55 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
{Gewerbeordnung 1973 - ÜR § 36, § 36 Abs. 5 GewO} wird mit Ausnahme des ersten Satzes aufgehoben.
Es ging dem Gesetzgeber darum, in der allgemeinsten Form den österreichischen gewerberechtlichen Vorschriften, wie sie vor der Einführung des deutschen Handwerksrechtes in Österreich bestanden haben, die uneingeschränkte Geltung wieder zu sichern. Ab 1. Jänner 1953, dem Tag des Inkrafttretens der Gewerberechtsnovelle 1952, kommt es daher nicht mehr darauf an, wie bis dahin das Verhältnis des deutschen Handwerksrechtes zu den österreichischen Gewerberechtsvorschriften im einzelnen rechtlich zu begreifen war ( ausdrückliche Aufhebung, inhaltliche Derogation, Überlagerung, Konkurrenz, Gegenstandslosigkeit usw.) . Der VfGH pflichtet dem Durchführungserlasse des BM für Handel und Wiederaufbau zur Gewerberechtsnov. 1952 vom 3. Dezember 1952, Zl. 115.571-III-18/62 ( abgedruckt bei Schwiedland, GewO, 2. Auflage S. 239 ff.) durchaus bei, wenn er darlegt, daß die Vorschriften des deutschen Handwerksrechtes die österreichischen gewerberechtlichen Vorschriften, die durch das Inkrafttreten des deutschen Handwerksrechtes aufgehoben worden oder gegenstandslos geworden sind, nicht bezeichnet haben. Welche österreichischen Bestimmungen vom deutschen Handwerksrecht berührt worden sind, sei daher vielfach ungeklärt geblieben. Demgemäß seien auch die nunmehr wieder in Kraft getretenen österreichischen gewerberechtlichen Vorschriften im einzelnen nicht bezeichnet worden. Das Wiederinkrafttreten österreichischer gewerberechtlicher Vorschriften, die durch das deutsche Handwerksrecht berührt worden sind und Gesetzeskraft genossen haben, sei durch die Generalklausel des Art. II verfügt worden, ohne daß weitreichende Untersuchungen über das Ausmaß der seinerzeitigen Derogation durch das deutsche Handwerksrecht angestellt worden wären. Von den gewerberechtlichen Vorschriften, welche vom deutschen Handwerksrecht auch nur teilweise berührt worden sein konnten, ist zu sagen, daß nunmehr ihre Geltung zur Gänze, also auch in dem weder der Aufhebung noch der Gegenstandslosigkeit anheimgefallenen Bereich ebenfalls aus der Generalklausel des Art. II abzuleiten ist. Denn dadurch, daß die Wirksamkeit einer Norm auf bisher von ihr nicht erfaßte Tatbestände erstreckt wird, wird ihre Geltung aufs neue normativ anerkannt. Dem Art. II Gewerberechtsnov. 1952 kann nicht der Sinn unterstellt werden, daß von der Wiederinkraftsetzung diejenigen Normen ausgenommen sein sollten, denen durch das Vollwirksamwerden der Bundesverfassung mit 19. Dezember 1945 inhaltlich derogiert worden ist.
Dadurch, daß die Wirksamkeit einer Norm auf bisher von ihr nicht erfaßte Tatbestände erstreckt wird, wird ihre Geltung aufs neue normativ anerkannt.
Das Wesen der mittelbaren Bundesverwaltung, deren Träger der Landeshauptmann in jedem einzelnen Bundesland ist, besteht darin, daß in der Landesinstanz der Landeshauptmann mit dem Vollzug betraut ist, mag auch die Vollziehung in erster Instanz ausnahmsweise nicht Landesbehörden überantwortet sein. Die Betrauung des Landeshauptmannes mit dem Vollzug bedeutet nun nicht bloß, daß der Landeshauptmann das Weisungsrecht besitzt, sondern sie bedeutet auch, daß zur Entscheidung über Rechtsmittel nicht Zentralstellen des Bundes (Bundesministerien) direkt berufen werden dürfen, sohin der Landeshauptmann als Mittelinstanz im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung nicht ausgeschaltet werden darf. Im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung in der Landesinstanz muß der Landeshauptmann auch dann mit dem Vollzug betraut sein, wenn zur Führung der Verwaltung in unterster Instanz Bundesbehörden bestellt sind. Das gleiche Prinzip muß gelten, wenn zur Führung der Verwaltung in unterster Instanz Organe von Selbstverwaltungskörpern berufen sind und diese Aufgaben von diesen im übertragenen Wirkungsbereich ( mittelbare Bundesverwaltung) besorgt werden.
Im Fall der Zuweisung von Aufgaben der Bundesvollziehung an die Landeskammern der gewerblichen Wirtschaft ist der Landeshauptmann Berufungsinstanz und Träger des Weisungsrechtes gegenüber den Landeskammern.
Die Einräumung des direkten Berufungsrechtes gegenüber von Organen einer Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft erlassenen Bescheiden an das BM für Handel und Wiederaufbau widerspricht der Vorschrift des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 102, Art. 102 Abs. 1 B-VG}, wenn es sich um eine Angelegenheit des durch ein Bundesgesetz übertragenen Wirkungsbereiches handelt.