JudikaturVfGH

G9/53 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
08. Dezember 1953

Als Wiederholungsbeschluß kann nur ein Beschluß angesehen werden, der den ursprünglichen Beschluß unverändert wiederholt, da auch bei der geringsten Änderung nicht mehr von einer Wiederholung des ursprünglichen Beschlusses gesprochen werden kann. Ein derartiger Beschluß stellt sich vielmehr als ein neuer Gesetzesbeschluß dar, der neuerlich i. S. des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 98, Art. 98 Abs. 1 B-VG} zu behandeln und daher der Bundesregierung neuerlich bekanntzugeben ist.

Die Praxis, echte Beharrungsbeschlüsse der Bundesregierung nicht mehr mitzuteilen, widerspricht nicht der Bundesverfassung. Denn die Bestimmung des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 98, Art. 98 Abs. 1 B-VG}, wonach "alle Gesetzesbeschlüsse der Landtage" vor der Kundmachung vom Landeshauptmann dem zuständigen BM bekanntzugeben sind, kann nur im Einklang mit Abs. 2 dieser Verfassungsbestimmung verstanden und ausgelegt werden. Der zweite Satz des Art. 98 Abs. 2 stellt es aber außer jeden Zweifel, daß im Falle eines echten Beharrungsbeschlusses, d. h. einer völlig unveränderten Wiederholung, der Gesetzesbeschluß sofort im Landesgesetzblatt kundgemacht werden kann. Die Bundesregierung hat in diesem Fall nur mehr die Möglichkeit, die Verfassungsmäßigkeit des kundgemachten Gesetzes gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 140, Art. 140 B-VG} beim VfGH anzufechten.

Wenn ein Gemeindeangestelltengesetz die Dienststellen des Bundes verpflichtet, Handlungen oder Unterlassungen eines Gemeindebeamten, die den Tatbestand einer Verletzung seiner Dienstpflichten bilden könnten, seiner Dienstbehörde unverzüglich mitzuteilen, so werden die Dienststellen des Bundes durch diese Bestimmung verpflichtet, zur Ermöglichung der Ahndung von Pflichtverletzungen beizutragen, welche Verpflichtung sich zweifellos als "Mitwirkung bei der Vollziehung" i. S. des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 97, Art. 97 Abs. 2 B-VG} darstellt.

Da {Bundes-Verfassungsgesetz Art 22, Art. 22 B-VG} den Organen der Gebietskörperschaften die Verpflichtung zur wechselseitigen Hilfeleistung ausdrücklich "im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches" auferlegt, bedarf es zur Mitwirkung eines Bundesorgans bei der Landesvollziehung immer einer besonderen gesetzlichen Bestimmung, da andernfalls der Wirkungsbereich eines Bundesorgans sich nicht auf Akte der Landesvollziehung erstreckt. Diese besondere gesetzliche Bestimmung kann nur mit Zustimmung der Bundesregierung gemäß Art. 97 Abs. 2 B-VG erlassen werden.

Versagt die Bundesregierung ihre Zustimmung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung eines Landesgesetzes, so erscheinen alle Bestimmungen des Gesetzes, die die Mitwirkung von Bundesorganen zur Voraussetzung haben - aber auch nur diese Bestimmungen - verfassungswidrig und dürfen nicht kundgemacht werden. Wie weit diese Verfassungswidrigkeit im einzelnen Falle reicht, ist ganz verschieden. Sie kann unter Umständen das ganze Gesetz erfassen. Sie kann sich aber auch auf eine einzige Stelle, ja auf ein einziges Wort, beschränken. Die Entscheidung darüber könnte im Streitfalle nur der VfGH in einem Verfahren nach {Bundes-Verfassungsgesetz Art 140, Art. 140 B-VG} treffen.

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