G20/52 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Aufhebung einzelner Bestimmungen des Handelskammergesetzes, der Fachgruppenordnung, der Umlagenordnung und der Handelskammer- Wahlordnung.
Zum Handelskammergesetz "Gewerbe" i. S. der Kompetenzbestimmungen des B-VG bedeutet hier nicht die Gesamtheit der zu Erwerbszwecken ausgeübten Tätigkeiten überhaupt, der Begriff muß vielmehr im gegebenen Zusammenhang in jenem engeren Sinn verstanden werden, in dem er sich für den Bereich des österreichischen Gewerberechtes entwickelt hat und im Zeitpunkt des Wirksamkeitsbeginnes der Kompetenzverteilung des B-VG (1. Oktober 1925) wirksam war.
Gegen den hierarchischen Aufbau der Kammern der gewerblichen Wirtschaft bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Einrichtung von Landeskammern ist verfassungsrechtlich gedeckt.
Das Handelskammergesetz kann nur auf den Kompetenztatbestand " Kammern für Handel, Gewerbe und Industrie" , nicht auch auf den Kompetenztatbestand "Einrichtung beruflicher Vertretungen, soweit sie sich auf das ganze Bundesgebiet erstrecken, mit Ausnahme solcher auf landwirtschaftlichem und forstwirtschaftlichem Gebiet" in {Bundes-Verfassungsgesetz Art 10, Art. 10 Abs. 1 Z 8 B-VG} gestützt werden.
Der Kompetenztatbestand "Kammern für Handel, Gewerbe und Industrie" ({Bundes-Verfassungsgesetz Art 10, Art. 10 Abs. 1 Z 8 B-VG}) ist nicht auf die Unternehmungen des Gewerbes und der Industrie eingeschränkt. Die Bundesgesetzgebung kann vielmehr auch andere Unternehmungen (Berufsgruppen) des Erwerbslebens und Wirtschaftslebens in die Kammern für Handel, Gewerbe und Industrie einbeziehen. Dies jedoch nur unter zwei Voraussetzungen, nämlich 1., daß sie durch das Gesetz vom 25. Feber 1920, StGBl. Nr. 98, über die Kammern für Handel, Gewerbe und Industrie erfaßt waren, und daß 2. die Regelung ihrer Angelegenheiten nach der Kompetenzverteilung der Bundesverfassung gemäß Art. 10 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache ist. Die Anwendung dieses Kompetenztatbestandes schließt die Anwendung des Kompetenztatbestandes "Einrichtung beruflicher Vertretungen, soweit sie sich auf das ganze Bundesgebiet erstrecken, mit Ausnahme solcher auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet" aus. Die Heraushebung aus den hinsichtlich der beruflichen Vertretungen bestehenden allgemeinen Kompetenztatbeständen und die Unterstellung unter einen besonderen Kompetenztatbestand des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 10, Art. 10 B-VG} hat zur Folge, daß in Ansehung der beruflichen Vertretung dieser Gruppen die Vollziehung auch dann Bundessache ist, wenn und soweit sich ihre Einrichtung nicht auf das ganze Bundesgebiet erstreckt.
Der Begriff "Fremdenverkehr" scheint unter den Kompetenztatbeständen der Bundesverfassung nicht auf; die Angelegenheiten des Fremdenverkehrs als solche sind daher nach {Bundes-Verfassungsgesetz Art 15, Art. 15 B-VG} in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache.
Der Bundesverfassung ist eine Bestimmung, die es dem Gesetzgeber verwehren würde, durch einfaches Gesetz Selbstverwaltungskörpern staatliche Aufgaben im übertragenen Wirkungsbereich zuzuweisen, fremd.
Wenn ein Bundesgesetz eine berufliche Selbstverwaltungskörperschaft zur Mitwirkung an Verwaltungsmaterien beruft, in denen dem Bund eine Zuständigkeit zusteht, dann kann diese Mitwirkung immer nur auf jene Angelegenheiten bezogen werden, bezüglich deren dem Bund die Vollziehung zukommt.
Die Landeskammern der gewerblichen Wirtschaft (Handelskammern) sind, sofern und insoweit ihnen Aufgaben der Bundesvollziehung übertragen wurden, als Bundesbehörden anzusehen. Der Landeshauptmann ist, soweit den Landeskammern Aufgaben der Bundesvollziehung zugewiesen sind - soweit sie also als Bundesbehörden Bescheide erlassen -, Berufungsinstanz und insoweit auch die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde i. S. des AVG, in welcher Eigenschaft ihm auch - allerdings eingeschränkt auf die von den Landeskammern im übertragenen Wirkungskreise zu besorgenden Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung - gegenüber den Landeshandelskammern ein Weisungsrecht zusteht.
Einrichtungen der beruflichen Selbstverwaltung, deren Gesetzgebung und Vollziehung ausschließlich Bundessache ist und denen im übertragenen Wirkungsbereich der Charakter von Bundesbehörden zukommt, können durch Landesgesetz zur Mitwirkung bei der Vollziehung herangezogen werden, wobei allerdings nach der ausdrücklichen Vorschrift des B-VG zu dieser Mitwirkung die Zustimmung der Bundesregierung eingeholt werden müßte ({Bundes-Verfassungsgesetz Art 97, Art. 97 Abs. 2 B-VG}) .
Es bedeutet zweifellos einen Mangel im organisatorischen Aufbau des B-VG, daß die Fragen beruflicher Selbstverwaltung darin keine ausdrückliche Regelung gefunden haben. Gleichwohl muß aber daraus, daß die Kompetenzverteilung solche berufliche Selbstverwaltungskörper tatbestandsmäßig anführt, gefolgert werden, daß das B-VG die Errichtung solcher Körperschaften durch die einfache Gesetzgebung als zulässig erkannt hat.
Die innere Organisation eines beruflichen Selbstverwaltungskörpers sowie die Regelung seiner Geschäftsverteilung ist Sache der Körperschaft. Es bedarf daher gar keiner besonderen, den Bestimmungen des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 18, Art. 18 Abs. 2 B-VG} entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung.
Von den Gemeinden betriebene Wasserversorgungsanlagen werden nicht als auf Erwerb gerichtete Unternehmungen, sondern in Erfüllung der Aufgaben der Hoheitsverwaltung geführt.
Bei den Kraftfahrschulen handelt es sich um eine Angelegenheit des " Kraftfahrwesens" gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 10, Art. 10 Abs. 1 Z 9 B-VG}.
§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 5 lit. a und b, § 14, § 16 (soweit er nicht als verfassungswidrig aufzuheben war) , § 19, § 24 Abs. 3 und Abs. 4 lit. k, § 29 Abs. 1, § 30 Abs. 3, § 31 Abs. 3 letzter Satz, § 34 Abs. 1 lit. e und f, § 54, § 57 Abs. 6 erster Satz und Abs. 8, 11 und 12, § 67 Abs. 3, {Handelskammergesetz § 68, § 68 Abs. 1 HKG} sind verfassungsrechtlich unbedenklich.
Zur Fachgruppenordnung Art. XXXIV der GewONov. 1952 hat § 5 Abs. 2 lit. e, g, i und j FachgruppenO nachträglich eine gesetzliche, vom verfassungsrechtlichen Standpunkte einwandfreie Grundlage gegeben.
§ 9 Abs. 3, § 14, § 16, § 18 Abs. 5, § 24, § 33 FachgruppenO, BGBl. Nr. 223/1947, sind verfassungsrechtlich unbedenklich.
Zur Umlagenordnung § 2 Abs. 2, § 5 Abs. 2, § 11 Abs. 1, § 13 Abs. 3 zweiter und dritter Satz, § 14 Abs. 1 und 2 UmlagenO, BGBl. Nr. 215/1947, sind verfassungsrechtlich unbedenklich.