B101/52 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Sind die Richtlinien für die Ausübung des Berufes (Beschluß der ständigen Vertreterversammlung der österreichischen Rechtsanwaltskammern vom 9. Juni 1951) vom Ausschuß der Kammer für ihren Sprengel als verbindlich anerkannt, dann ist es gemäß P. 61 für einen Rechtsanwalt unzulässig, neben der dem Ausschuß gemäß § 21 Rechtsanwaltsordnung 1868 angezeigten Kanzlei noch eine hievon örtlich getrennte Filialkanzlei oder Expositur zu halten. Diese Bestimmung findet ihre gesetzliche Deckung in § 21 RAO, wonach die Wahl und Änderung des Wohnsitzes (Berufssitzes dem Rechtsanwalt gestattet ist. P. 62, der die Abhaltung von Sprechtagen außerhalb des Wohnsitzes gestattet, steht nicht im Widerspruch mit § 21 RAO. Durch die Inkraftsetzung der Richtlinien für den Sprengel einer Kammer werden die Rechtsanwälte keineswegs in der Freiheit der Erwerbsbetätigung (§ 6 StGG) behindert. Die Kammer hat vielmehr durch diesen ihren Beschluß - in einer im übrigen den zuständigen Disziplinarrat nicht bindenden Weise - die ihr angehörigen Anwälte lediglich darauf verwiesen, daß sich ein Rechtsanwalt, der solche Sprechtage ohne Einholung der Genehmigung durch den Ausschuß oder gegen eine ausdrücklich ablehnende Entscheidung dieses Kollegiums abhält, allenfalls wegen standeswidrigen Verhaltens zu verantworten haben würde. So gesehen, hält sich der Beschluß der Kammer durchaus im Rahmen der ihr durch § 23 RAO 1868 auferlegten Verpflichtung zur Wahrung des Ansehens des Rechtsanwaltsstandes.