A22/51 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
{Bundes-Verfassungsgesetz Art 11, Art. 11 Abs. 2 B-VG} legt eine Kompetenz des Bundes zur " Bedarfsgesetzgebung" fest, sie ermächtigt den Bundesgesetzgeber, selbst zu beurteilen und zu bestimmen, ob und in welchem Umfang ein " Bedürfnis" nach einheitlichen Vorschriften gegeben ist. Die Landesgesetzgebung ist nur insofern und insoweit gebunden und in ihrer Kompetenz eingeengt, als der Bundesgesetzgeber von dieser ihm eingeräumten Befugnis zur Bedarfsgesetzgebung Gebrauch genommen und eine einheitliche Regelung tatsächlich vorgenommen hat.
Der Begriff der "Verwaltungsvorschriften" ist im Art. VI Abs. 2 EGVG in Form einer Legaldefinition umschrieben: er umfaßt alle die verschiedenen Gebiete der die Verwaltung regelnden, von Verwaltungsbehörden zu vollziehenden Gesetze und Verordnungen.
Die Verwaltungsvorschriften legen im Rahmen des Verwaltungsstrafrechtes die strafbaren Tatbestände fest, sie bestimmen die Strafart und den Rahmen der Strafhöhe und sie können im Hinblick auf den im § 15 VStG getroffenen Vorbehalt auch die Bestimmungen darüber enthalten, wem die eingehenden Geldstrafen zukommen. Dieser durch die heute wirksame Fassung des § 15 VStG geschaffene Rechtszustand wird so lange Geltung behalten, bis der Bundesgesetzgeber von der ihm durch {Bundes-Verfassungsgesetz Art 11, Art. 11 Abs. 2 B-VG} erteilten Befugnis einen erweiterten Gebrauch nehmen, die Frage der Widmung der Geldstrafen im vollen Umfang einer einheitlichen Regelung zuführen und § 15 VStG dementsprechend in seinem Inhalt neu gestaltet wird.
Bis dahin sind - je nach der Kompetenz zur Regelung der Materie - der Bund und die Länder befugt, diese Frage der Widmung der Geldstrafen in ihren Verwaltungsvorschriften so zu lösen, wie sie es im einzelnen Fall für zweckdienlich finden.
Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, bezüglich der Widmung der Geldstrafen eine auch die Länder bindende Bestimmung zu treffen. Die Landesgesetzgebung kann daher - von der subsidiären Zweckwidmung abgesehen - im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenz in den einzelnen Verwaltungsvorschriften die Widmung der Geldstrafen frei bestimmen.
Das Reichspolizeikostengesetz, DRGBl. I S. 688/1940, ist eine Verwaltungsvorschrift; es genießt demnach Vorrang vor der subsidiären Regelung des § 15 VStG 1950. Das Gesetz stellt sich, wenn auch in einheitlicher Fassung, als eine Summe von Novellierungen der älteren österreichischen Rechtsvorschriften auf den verschiedensten Gebieten der Rechtsordnung dar. Seit der Oktobernovelle zur Vorläufigen Verfassung muß das ReichspolizeikostenG, soweit es ehemalige bundesgesetzliche Verwaltungsvorschriften novelliert hatte, als Bundesgesetz (Staatsgesetz) , soweit es aber landesgesetzliche Verwaltungsvorschriften abgeändert hatte, als Landesgesetz angesehen werden, es kann daher - je nachdem, ob nach der Materie der in Frage kommenden Verwaltungsvorschrift die Kompetenz des Bundes oder der Länder gegeben ist - für den betreffenden Bereich durch Bundesgesetz oder durch Landesgesetz abgeändert oder auch aufgehoben werden.