JudikaturVfGH

G9/51 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
20. März 1952

Die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 und 2 und des § 12 Abs. 2 des Gesetzes vom 31. März 1950, BGBl. Nr. 97, werden insoweit als verfassungswidrig aufgehoben, als sie zur Durchführung der darin vorgesehenen Maßnahmen in jedem Land den Landeshauptmann berufen.

Die Bestimmungen des Gesetzes sind unter verschiedene Kompetenztatbestände des B-VG i. d. F. von 1929 einzureihen. Die Art. I und III und der dem Art. II angehörige § 14 enthalten strafrechtliche und strafprozessuale Bestimmungen, deren Erlassung nach Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG dem Bundesgesetzgeber zusteht. Art. II gibt im übrigen (§§ 10 bis 13) den Verwaltungsbehörden die Befugnis, die Verbreitung von Druckwerken zu beschränken, "die geeignet sind, die sittliche, geistige oder gesundheitliche Entwicklung jugendlicher Personen, insbesondere durch Verleitung zu Gewalttaten oder zu strafbaren Handlungen aller Art, durch Reizung der Lüsternheit oder durch Irreleitung des Geschlechtstriebes, schädlich zu beeinflussen" . Diese Bestimmungen betreffen ihrem rechtlichen Gehalte nach Maßnahmen, die gleichfalls unter {Bundes-Verfassungsgesetz Art 10, Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG} ("Pressewesen") fallen. Der Kompetenztatbestand des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 12, Art. 12 Abs. 1 Z 2 B-VG} ("Jugendfürsorge") tritt demgegenüber, da dem Art. 10 der Vorrang zukommt, zurück.

Gemäß {Behörden-Überleitungsgesetz § 15, § 15 Behörden-Überleitungsgesetz}, dessen Bestimmungen nach dem B-VG vom 25. Juli 1946, BGBl. Nr. 142, bis zu einer anderslautenden verfassungsgesetzlichen Regelung als Verfassungsbestimmungen gelten, ist für jene Aufgaben, die von den ehemaligen Reichsstatthaltern auf dem Gebiete des öffentlichen Sicherheitswesens geführt wurden, heute in der Landesinstanz eine unmittelbare Bundesverwaltung eingerichtet, die von eigenen Bundesbehörden, den Sicherheitsdirektionen, besorgt wird. Zu den von den Reichsstatthaltern geführten Angelegenheiten auf diesem Gebiete gehörte aber nach § 4 des Ostmarkgesetzes und § 2 der Ersten Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz auch das Pressewesen.

Die Verordnung vom 26. Feber 1946, BGBl. Nr. 74, hat daher in ihrem § 3 mit Recht festgestellt, daß sonach auch die Angelegenheiten des Pressewesens in den Wirkungsbereich der Sicherheitsdirektionen fallen.

Die Regelung des § 15 Behörden-ÜG knüpft - wie das Gesetz in allen seinen Regelungen überhaupt - an die ehemalige deutsche Organisation an, sie leitet daher auch den Wirkungskreis der Sicherheitsdirektionen unmittelbar nicht aus einem Teilbereich des Wirkungskreises der Landeshauptmänner, sondern aus einem solchen der ehemaligen Reichsstatthalter ab. Der aus § 15 Behörden-ÜG abzuleitende Wirkungsbereich der Sicherheitsdirektion steht mit ausschließlicher Geltung neben dem Wirkungsbereich des Landeshauptmannes. Die früheren Kompetenzen des Landeshauptmannes auf dem Gebiete des öffentlichen Sicherheitswesens erscheinen heute zur Gänze ausgeschaltet. Sie werden dem Landeshauptmann erst dann wieder zufallen, wenn § 15 Behörden-ÜG durch Bundesverfassungsgesetz aufgehoben werden und der Grundsatz des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 102, Art. 102 Abs. 1 B-VG} auch für den Bereich des öffentlichen Sicherheitswesens neuerlich Geltung erlangen wird.

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