B46/51 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Die i. S. des {Rechtsanwaltsprüfungsgesetz § 23, § 23 Rechtsanwaltsordnung} erteilten Vorschriften können nicht nur den Charakter einer autoritären Belehrung haben, sondern auch Bescheide i. S. des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 144, Art. 144 B-VG} sein.
Der Rechtsanwaltskammer und ihrem Ausschuß kommt insoweit behördlicher Charakter zu, als sie im Bereich ihrer Zuständigkeit generell und individuell bindende Normen erlassen dürfen. Dazu gehören, um nur einige Beispiele anzuführen, die Beschlüsse nach § 27 d RAO über die Feststellung der Beiträge der Mitglieder, die Entscheidung über die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte ( § 28 Abs. 1 lit. a RAO) und der Rechtsanwaltsanwärter ({Rechtsanwaltsprüfungsgesetz § 30, § 30 Abs. 4 RAO}) usw., insbesondere auch jene Beschlüsse und Aufträge, die gemäß {Rechtsanwaltsprüfungsgesetz § 23, § 23 RAO} und § 1 Abs. 1 des Disziplinarstatuts zur Wahrung der Ehre, des Ansehens und der Rechte bei Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltsstandes und in Ausübung des Aufsichtsrechtes ergehen.
Ein vom Ausschuß der Rechtsanwaltskammer an ein Kammermitglied auf Grund dieser gesetzlichen Bestimmungen ergangener Auftrag ist ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde i. S. des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 144, Art. 144 B-VG}. Ob ein Auftrag in diesem Sinne erteilt wurde, kann nur im Einzelfalle nach dem Inhalt des ergangenen Bescheides beurteilt werden.
Das Bestehen von standesrechtlichen Sondernormen bedeutet an sich keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, weil sich ihnen jeder durch Antritt des einschlägigen Berufes selbst unterwirft.
Der Gedanke, daß ein verfassungswidriger Eingriff schon deshalb nicht vorliegen könne, weil der angefochtene Bescheid weder gesetzlos ist noch auf ein verfassungswidriges Gesetz gegründet wird, hat seine Berechtigung nur dort, wo die Verfassung die Durchbrechung eines von ihr aufgestellten Grundsatzes durch einfaches Gesetz zuläßt (z. B. beim Schutz des Eigentums, Art. 5 StGG, und der Erwerbsfreiheit, Art. 6 StGG) . In solchen Fällen wird die Verfassungswidrigkeit eines Eingriffes schon dadurch ausgeschlossen , daß er in einem Gesetz seine Grundlage findet, das weder verfassungswidrig noch im konkreten Fall überhaupt unanwendbar ist. Wo aber die Verfassung einen solchen Vorbehalt nicht enthält, kann auch ein durch ein Gesetz gedeckter Eingriff verfassungswidrig sein. Insbesondere trifft dies dort zu, wo die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes ({Bundes-Verfassungsgesetz Art 7, Art. 7 B-VG}, Art. 2 StGG in Frage steht.