A9/49 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Wurde der Klageanspruch durch die Tätigkeit einer Verwaltungsbehörde in Ausübung hoheitlicher Funktionen ausgelöst, so ist er ausschließlich im öffentlichen Rechte verwurzelt. Wird die Tätigkeit der Behörde durch den VfGH als verfassungswidrig erklärt, so vermag dies an ihrer Qualität als hoheitlicher Akt nichts zu ändern. Nach § 87 Abs. 2 VerfGG 1953 sind die Verwaltungsbehörden, wenn ihr Bescheid vom VfGH aufgehoben wird, verpflichtet, mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln den der Rechtsanschauung des VfGH entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Das gleiche muß auch dann gelten, wenn die Entscheidung des VfGH einen nicht in Bescheidform gekleideten behördlichen Akt, den sie nicht aufheben kann, als verfassungswidrig erklärt, weil sonst nicht einzusehen wäre, welchen Sinn und Zweck die Anfechtung rein faktischer Verwaltungsakte überhaupt haben soll. Wenn nun die Klage ausdrücklich auf das Erk. des VfGH Bezug nimmt, so macht sie damit einen Klagegrund geltend, der nicht aus den allgemeinen Bestimmungen des ABGB über den Schadenersatz oder die Kondiktion, sondern aus der öffentlichrechtlichen Bestimmung des § 87 Abs. 2 VerfGG 1953 abgeleitet ist. Da somit der Klageanspruch öffentlichrechtlicher Natur ist und demgemäß nicht im ordentlichen Rechtsweg verfolgt werden kann, liegen alle Voraussetzungen des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 137, Art. 137 B-VG} vor und es ist die Zuständigkeit des VfGH zur Entscheidung über die Klage gegeben.
Wurde durch eine Behörde die Veräußerung beschlagnahmter Waren verfügt und die Verfügung später durch den VfGH aufgehoben, so kann der auf Herausgabe der Waren gerichtete Anspruch gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 137, Art. 137 B-VG} geltend gemacht werden.
§ 50 VwGG trägt die Überschrift "Vollstreckung" . Die Behördentätigkeit, die sich an ein aufhebendes Erk. des VwGH mit dem Ziele anschließt, den der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Rechtszustand herzustellen, ist Vollstreckung. Durch einen solchen Bescheid können, falls seine Kongruenz mit der im aufhebenden Erk. des VwGH zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung feststeht, Rechte nicht verletzt werden. Wegen der inhaltlichen Gleichheit des {Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - ÜR § 50, § 50 Abs. 1 VwGG} mit § 87 Abs. 2 VerfGG gilt dieser Grundgedanke auch für die Erk. des VfGH.
§ 87 Abs. 2 VerfGG enthält das umfassende Gebot an die Verwaltungsbehörde, die Rechtsauffassung des VfGH zu verwirklichen: In jenen Fällen, in denen als Mittel zur Durchsetzung der Rechtsanschauung des VfGH die Erlassung eines neuen Bescheides nicht in Betracht kommt, ist die Behörde verpflichtet, andere ihr zu Gebote stehende rechtliche Mittel zur Herstellung des entsprechenden Rechtszustandes zu verwenden. Dieser öffentlichrechtlichen Verpflichtung der Behörde entspricht ein analoges subjektives Recht der betroffenen Partei.
Der Inhalt des § 87 Abs. 2 VerfGG ist durch das Amtshaftungsgesetz in keiner Weise berührt worden.
Der Gedanke der Herstellung jenes Rechtszustandes, wie er vor dem vom VfGH als verfassungswidrig erkannten Eingriff bestanden hat und ohne diesen verfassungswidrigen Eingriff weiter bestanden hätte, verlangt, daß dort, wo eine Rückgabe der durch den Eingriff entzogenen Sachen selbst nicht mehr stattfinden kann, ein äquivalenter Ersatz - sei es in natura, sei es in Geld - geleistet werden muß.