B8/46 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Aus Art. 12 StGG geht hervor, daß jeder Verwaltungsbescheid, der eine Behinderung des Rechts, Vereine zu bilden, darstellt und den in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen nicht entspricht, nicht nur eine Gesetzwidrigkeit, sondern auch eine Verletzung des durch die genannte Bestimmung des Staatsgrundgesetzes gewährleisteten Rechts darstellt. Für eine Zuständigkeit des VwGH bleibt kein Raum; denn hier erschöpft sich der Gegenstand der Beschwerde in der behaupteten Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte. Soweit es sich um Bescheide handelt, die die Bildung von Vereinen untersagen ( § 6 des Vereinsgesetzes) oder die Auflösung von Vereinen aussprechen (§ 24 des VereinsG) , sind solche Angelegenheiten nicht nur in bezug auf die meritale Erledigung, sondern auch in bezug auf die Fragen der formellen Behandlung der Zuständigkeit des VwGH entzogen.
Es ist zu beachten, daß die Vereinsbehörde nach {Vereinsgesetz 1951 § 6, § 6 VereinsG} den Verein untersagen kann, aber nicht untersagen muß. Die Nichtbeachtung statutarischer Bestimmungen bei der Umbildung ist daher kein zwingendes Hindernis für eine Nichtuntersagung. Der Bescheid, mit dem der Verein bzw. dessen Umbildung nicht untersagt wird, ist für die rechtliche Existenz des Vereines allein maßgebend. Wenn die Behörde die erwähnten Mängel nicht beanstandet hat, so können sie nachträglich nicht zum Anlaß genommen werden, den Verein als nicht existent zu erklären. Er bestand trotz dieser Mängel zu Recht.
Während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft war gemäß der Dritten Verordnung über die Übertragung von Aufgaben und Befugnissen des Reichsstatthalters in Österreich, DRGBl. I 1939 S. 1845, die Landesstelle, in deren Bereich der Verein seinen Sitz hatte, zur Bescheiderlassung auch bei solchen Vereinen kompetent, die ihre Wirksamkeit auf mehrere Länder erstreckten. Diese Verordnung ist durch Art. 3 (vorletzter Absatz) V-ÜG StGBl. Nr. 4/1945, aufgehoben worden. Dieses Gesetz ist erst mit Beschluß der Alliierten Kommission vom 30. November 1945 genehmigt worden und für das ganze Staatsgebiet anwendbar geworden; diese Verfügung wurde in Tirol am 13. Dezember 1945 bekannt und war im dortigen Amtsgebiet von diesem Zeitpunkt tatsächlich anwendbar.
Der Bescheid einer unzuständigen Stelle ist keineswegs nichtig, er kann nur gemäß § 68 Abs. 4 des AVG, BGBl. Nr. 274/1925, als nichtig erklärt werden, er ist sohin nur vernichtbar. Bis dahin bleibt er aber rechtswirksam, er kann - und auch dies nur innerhalb von drei Jahren -, muß aber nicht für nichtig erklärt werden. Eine solche Nichtigerklärung wirkt nicht zurück (ex tunc) . Bis zu ihrer Erlassung bleibt der Bescheid rechtswirksam. Eine solche Nichtigerklärung muß ausdrücklich ausgesprochen werden, sie kann nicht als stillschweigend erfolgt, in einem anderen Bescheid inbegriffen, angenommen werden.
