JudikaturVfGH

B51/29 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
02. Mai 1930

Die freie Ausübung des Anwaltsberufes ist nur unter den gesetzlichen Bedingungen (Art. 6 StGG) des {Rechtsanwaltsprüfungsgesetz § 10, § 10 Rechtsanwaltsordnung}, {Rechtsanwaltsprüfungsgesetz § 23, § 23 RAO} und § 1 Abs. 1 des Disziplinarstatuts gestattet. Durch den Auftrag des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer an ein Mitglied, die Verbindung mit einem Klienten zu lösen, kann allenfalls die RAO, nicht aber das verfassungsgesetzliche Recht auf Erwerbsfreiheit verletzt werden.

Der Rechtsanwaltskammer und ihrem Ausschuß kommt behördlicher Charakter zu. Ein vom Ausschuß einer Rechtsanwaltskammer an ein Kammermitglied auf der einschlägigen gesetzlichen Bestimmung ergangener Auftrag ist ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde i. S. des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 144, Art. 144 B-VG}.

Nach {Rechtsanwaltsprüfungsgesetz § 10, § 10 Abs. 2 RAO} ist der Rechtsanwalt verpflichtet, "in seinem Benehmen die Ehre und Würde des Standes zu wahren" . Nach {Rechtsanwaltsprüfungsgesetz § 23, § 23 RAO} obliegt sowohl der Kammer als dem Ausschuß die Wahrung der Ehre, des Ansehens und der Rechte wie auch die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltsstandes und nach {Disziplinarstatut 1990 § 1, § 1 Abs. 1 DSt} übt der Ausschuß die Aufsicht über die in die Rechtsanwaltsliste eingetragenen Rechtsanwälte aus. Schon nach diesen gesetzlichen Bestimmungen ist es klar, daß der Ausschuß in Ausübung seines Überwachungsrechtes und Aufsichtsrechtes allgemeine oder besondere Anordnungen an die Mitglieder erlassen kann. Ob eine individuell erteilte Anordnung gesetzmäßig ist, das heißt, ob sich der Adressat gegen seine ihm durch die RAO und das DSt vorgeschriebenen Pflichten als Anwalt vergangen hat, das festzustellen ist nur der Disziplinarrat bzw. der Disziplinarsenat in einem Verfahren berufen, dessen Rechtszug durch das DSt geregelt ist. In diesem Verfahren ist auch zu prüfen, ob der angefochtene Bescheid des Ausschusses in den Grenzen des Gesetzes, insbesondere der RAO, gefaßt wurde; denn die Frage, ob die Nichtbefolgung eines vom Ausschuß einer Rechtsanwaltskammer erteilten Auftrages den Anwalt disziplinär verantwortlich macht, hat im einzelnen Fall die Disziplinarbehörde zu entscheiden.

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