JudikaturVfGH

G174/86 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
05. März 1987

Die die Bedarfsprüfung für Fahrschulen betreffenden Abs1 litb und 2 des §110 KFG 1967 beschränken die Möglichkeit, ein bestimmtes Gewerbe anzutreten. Sie greifen daher in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit ein.

Aufhebung der die Bedarfsprüfung für Fahrschulen betreffenden Abs1 litb und 2 des §110 KFG 1967.

Das KFG 1967 überläßt es - wie sich aus seinem XI. Abschnitt "Ausbildung von Kraftfahrzeuglenkern", (§§108 ff) ergibt - dem Belieben des Antragstellers, ob er sich die fachliche Befähigung durch den Besuch einer Fahrschule (§§108 ff) oder durch Übungsfahrten (§§122 ff) (abgesehen von Sonder-Ausbildungsmöglichkeiten nach den §§119 bis 121) erwirbt. Das KFG 1967 geht also davon aus, daß die Verkehrssicherheit eine fachliche Befähigung des Kraftfahrzeug-Lenkers erfordert, deren Vorliegen die Behörde auf gesetzlich vorausbestimmte Weise festzustellen hat, daß die Verkehrssicherheit aber nicht gebietet, sich diese Befähigung auf bestimmte Weise, etwa durch den Besuch einer Fahrschule, anzueignen.

Bei dem vom Gesetzgeber gewählten System, das die Kontrolle der ausreichenden Ausbildung im Wege der Lenkerprüfung in den Mittelpunkt stellt, ist es ausgeschlossen anzunehmen, daß öffentliche Interessen - nämlich jene der Verkehrssicherheit - eine besondere wirtschaftliche Absicherung (etwa im Wege der Bedarfsprüfung) der Fahrschulen erfordern; dies auch dann, wenn eine fundierte Ausbildung künftiger Kraftfahrzeug-Lenker als wünschenswert betrachtet wird.

Aber auch wenn das Gesetz Übungsfahrten nicht vorsähe, wäre die Bedarfsprüfung kein adäquates Mittel, um - im Interesse der Verkehrssicherheit - eine möglichst fundierte Ausbildung künftiger Kraftfahrzeug-Lenker durch Fahrschulen zu sichern.

Wenn es der Gesetzgeber für geboten hält, durch Fahrschulen die bestmögliche Ausbildung der Fahrschüler (entgegen deren momentanem Interesse auf Schulung mit minimalem Zeit- und Geldaufwand) zu gewährleisten, könnte dies insbesondere durch (im weitesten Sinn) gewerbepolizeiliche und wettbewerbsrechtliche Regelungen erfolgen und die Bedarfsprüfung deshalb entfallen.

Die Bundesregierung meint, Gründe der Verwaltungsökonomie sprächen gegen eine verstärkte behördliche Überwachung der Fahrschulen. Hiezu ist sie zunächst darauf zu verweisen, daß auch das geltende KFG implizit eine behördlich Überwachung der Fahrschulen vorsieht (siehe zB §110 Abs1 lita, §110 Abs4, §112 KFG 1967, wobei allerdings anzumerken ist, daß es der Verordnungsgeber bisher nicht für erforderlich gehalten hat, eine DurchführungsV zu §110 Abs4 KFG zu erlassen). Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, daß bei Wegfall der Bedarfsprüfung eine verstärkte behördliche Kontrolle erforderlich werden kann, was erhöhte Kosten verursachen würde. Gründe der Verwaltungsökonomie (nämlich die Einsparung dieser Kosten) rechtfertigen aber im gegebenen Zusammenhang keine Einschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit durch eine Bedarfsprüfung.

§110 Abs1 litb und Abs2 des KraftfahrG 1967, BGBl. Nr. 267, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Die die Erwerbsausübungsfreiheit stark beeinträchtigende Bedarfsprüfung bei der Verleihung von Fahrschulbewilligungen ist zur Durchsetzung öffentlicher Interessen zum Teil als ungeeignetes, zum Teil als unadäquates Mittel zu werten. Die Effekte der Regelung sind lediglich, daß die bestehenden Fahrschulen vor Konkurrenz geschützt und, daß - wie in der mündlichen Verhandlung unbestritten vorgebracht wurde - Fahrschulkonzessionen verkauft werden. Derartiges liegt aber nicht im öffentlichen Interesse (vgl. VfGH 23.6.1986 G14/86 ua).

Verstoß der die Bedarfsprüfung für Fahrschulen betreffenden Abs1 litb und 2 des §110 KFG 1967 gegen die Erwerbsausübungsfreiheit.

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